Die 13. Welle

Heute erzählen wir die Geschichte des erschütterndsten Denkmals von Berg. Für uns auch Anlass, energisch vorzuschlagen, die nächste zu benennende Straße in Berg (es könnte die in Höhenrain sein, die ins Gewerbegebiet führt) endlich nach einem wahren Berger Helden, dem Pater Franz Kreis von der Rottmannshöhe zu benennen. Aber zunächst zum Denkmal:

Das Denkmal zum Todesmarsch vom April 1945

Am 26. April 1945 hatte die SS das Lager Dachau aus Angst vor den heranrückenden Alliierten geräumt. An die 8.000 Häftlinge – die meisten zu erschöpft zum Gehen – sollten nach Tirol geschafft werden. Viele starben am Wegesrand. Der ehemalige Häftling Karl Weber erinnert sich:

“Und wir, die am Schluß des Elendszuges marschierten, mußten miterleben, daß viele Kameraden nicht mehr mitgehen konnten, weil sie zu schwach waren. Hinter uns ging ein Trupp der SS mit Bluthunden und mit Maschinengewehren. Immer wieder krachte ein Schuß nach dem anderen. Wer nicht mitkam, der ist gnadenlos abgeknallt worden. Und wie viele gab es, die fußleidend und halbverhungert waren?”

Zwei junge Höhenrainerinnen erinnern sich ebenfalls an den Zug:

“Zuerst war es ein eigenartiges Geräusch von der Straße her. Wir waren alle sehr beunruhigt und wussten nicht, was es zu bedeuten hatte. …Im ersten Morgengrauen liefen wir nach draußen und sahen die vielen Leute. Oben auf der Hauptstraße kamen von Richtung Starnberg her viele Menschen in gestreiften grauen Anzügen. Manche von ihnen hatten eine graubraune Decke umgehängt. Jeder von ihnen hatte eine Nummer oder Buchstaben auf dem Rücken. Die waren auf den Jacken aufgemalt. Die Leute waren dürr, ausgemergelt, oft schwach zum Umfallen und viele von ihnen waren schon mehr tot als lebendig.

Eines der drei existierenden Photos vom Todesmarsch von Benno Gantner

Es sickerte durch, dass das KZ Dachau durch die SS geräumt worden war, weil die Amerikaner immer näher rückten. Mit großer Härte trieben die schwer bewaffneten SS-Männer den Zug ständig an – wohl weil sie selbst große Angst vor den Amerikaners hatten. Die Hungersnot und der Durst unter den Menschen waren groß und sie bettelten trotz der strengen Bewachung immer wieder nach etwas Ess- und Trinkbarem.”

Gespräche am Gartenzaun: Das zweite Photodokument des Todesmarsches

“Da Brot und Milch schnell vergriffen war, kochten meine Mutter und andere Nachbarn immer wieder Kartoffeln in großen Dämpfern, in denen sonst eigentlich nur Futterkartoffeln für das Vieh gekocht wurde. Wir Kinder brachten sie in großen Schüsseln an den Straßenrand. Dieser Menschenzug war so lang, dass mehrere Tage lang, Tag und Nacht, das Klappern der Holzschuhe auf der Straße weithin zu hören war. Es war ein ganz eigenartiges Geräusch, das ich nie mehr vergessen werde.”  (Zusammengeführte Erinnerungen von Marianne Ziora und Veronika E. Winkler aus Höhenrain, damals 10 und 13 Jahre alt. in::  „Gegen das Vergessen“, herausgegeben von Karin Höh-Knüppel / Kulturverein Berg e.V. 1996.)

Es gibt nur wenige Fotos des Marsches. Sie stammen von Benno Gantner aus Percha, der es wagte, von seinem Balkon aus drei Aufnahmen zu machen.


Der Todesmarsch in Percha (Photo: Benno Gantner). Das Kreuz auf dem Rücken der Frau in der Bildmitte bedeutet: russische Gefangene

In Aufkirchen wurden drei KZ-Gefangene erschossen. Mindestens einer davon wohl von einem übereifrigen Aufkirchner Volkssturmmann, der sich später noch der Tat rühmte; Aufzeichnungen darüber gibt es nicht. Die Leichen wurden mit einem Schubkarren zum Friedhof gebracht. Der damalige Pfarrer Max Karbacher berichtetet: “Es war eine Prozession des Elends und des Jammers, Hunderte und Aberhunderte von wandelnden Leichen, die sich mühsam dahinschleppten oder erschöpft am Boden liegenblieben. Oft wurde ihnen unter Tränen Hilfe und Nahrung geleistet, soweit eine brutale Wachmannschaft es nicht rüpelhaft verwehrte, drei Männer wurden auf dem Durchzug durch unsere Pfarrei erschossen und bei der Abenddämmerung ohne Wissen des Pfarres durch Veranlassung von Bürgermeister Laux (dem Berger Nazi-Bürgermeister) im Friedhof verscharrt.”

Das Denkmal in Aufhausen

Aber es gibt auch die Geschichte einer heldenhaften Rettung. Leo Fuchsenberger vom Verein Christlicher Pfadfinder (VCP) Berg – Stamm Franz Kreis berichtete vor Jahren schon in seiner eine Facharbeit über die Rettung:

“Am 28. April 1945 entschloss sich Frater Franz Kreis vom damaligen Jesuitenrefugium auf der Rottmannshöhe, nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee, aber noch im Besitz einer Oberleutnant-Uniform, zusammen mit Otto Pies, einem Pater, der selbst im KZ Dachau inhaftiert gewesen war, dem Todesmarsch durch Berg und Höhenrain auf Fahrrädern zu folgen. Sie stießen kurz hinter Wolfratshausen auf die Gefangenen, die dort unter der strengen Bewachung im Wald lagerten. Die beiden Jesuiten konnten Kontakt zu Häftlingen aufnehmen, was vor allem durch die Oberleutnant-Uniform von Franz Kreis gelingen konnte.

Nachdem sich die beiden couragierten Ordensbrüder ein Bild von der Lage gemacht hatten, kamen sie in der darauf folgenden Nacht wieder. Diesmal mit einem geliehenen Lastwagen. Sie hatten Lebensmittel und Kleider dabei, die sie unter den Gefangenen verteilten. 12 verletzte Häftlinge konnten sie zur Behandlung mitnehmen. Zwei Nächte später zogen sie wieder los, und es gelang ihnen, weitere 20 Gefangene zu befreien. Allerdings befanden sich selbst nach dem Einmarsch der Amerikaner noch Insassen in den Lagern, die nur freigelassen wurden, wenn sie abgeholt und versorgt werden konnten. Aus Dachau wurden deshalb weitere Gefangene geholt, die auf der Rottmannshöhe Zuflucht und Versorgung erhielten.”

Entlang des Weges finden sich mehrere dieser Denkmäler – von Hubertus von Pilgrim

Kommentieren (0)

No comments available

Kommentieren

Your email address will not be published. Required fields are marked *