Windräder – aus der Nähe


Zwei von bald elf – Windräder in Wildpoldsried

Am Wochenende stattete die Hälfte des Berger Gemeinderats samt Bürgermeister und Mitgliedern der Verwaltung dem “Energiedorf” Wildpoldsried im Allgäu einen Besuch ab. Ein zweiter Bus war mit Landrat Karl Roth sowie Mitgliedern des Kreisrats besetzt. Auch Kreisbaumeister Dr. Kühnel war an Bord, Planer Dr. Hesselberger sagte kurzfristig ab.


Noch glücklich? Kühe vor Windrad

Perfekte Welt: Fast kam man sich vor wie in der “Truman-Show” oder in dem Film “Die Frauen von Stepford”, als man dem Vortrag von Bürgermeister Arno Zengerle lauschte. Energiepolitisch funktioniert Wildpoldsried wie im Bilderbuch. Zengerle erklärte die einzelnen Komponenten, die dazu führten, dass Wildpoldsried (2500 Einwohner) 350 % des Eigenbedarfs an Strom selbst produziert: Man rüstete sämtliche kommunalen Dächer mithilfe der größten Vereine (die den Ertrag bekommen) mit Solarzellen aus, betreibt eine Biogasanlage, nutzt Wasserkraft, hat eine Pflanzenkläranlage mit Badesee, besitzt 32 Elektrofahrzeuge, für die die Bürger sich bewerben können, man siedelt im Energiesektor tätige Firmen an, die Energieberatung ist kostenlos, für thermografische Aufnahmen gibt es einen Zuschuss in Höhe von 50%, Hocheffizienzpumpen in privaten Haushalten wurden gemeinschaftlich ausgetauscht, in der Grundschule gibt es “Energiebildung” für alle Klassen, neue kommunale Gebäude sind Passivhäuser oder Plusenergiehäuser. Für die vielen auch internationalen Interessenten werden gemeinsam mit einem Reisebüro Pakete geschnürt. Sämtliche Vorhaben werden auf eine möglichst breite Basis in der Bürgerschaft gestellt. Und: Wildpoldsried nutzt nach Umfragen unter den Bürgern auch die Windkraft (Ergebnis: 92% waren dafür – die Flächen werden dort einzeln ausgewiesen, bei einem WKA gab es ganze acht Einwendungen) – als Bürger-WKA. Alle Einzelheiten finden Sie auf der Homepage von Wildpoldsried unter dem Punkt Klimaschutz, wo alle Projekte und Anlagen inklusive der technischen Details aufgelistet sind. Wir staunten, wie systematisch man unter Einbeziehung der Bürger über gar nicht so viele Jahre hinweg solche Ergebnisse erzielt. (Hätte man in der Gemeinde Berg vor 10 Jahren ähnliche Visionen gehabt, wo stünden wir heute …)


Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. … Begleiten wir die ORION und ihre Besatzung bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit…

Der Hauptgrund für den Besuch war aber, die mittlerweile fünf Windräder aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Im Abstand von 450 bis 1000 Metern zur Wohnbebauung stehen sie da am und im Wald. Sie erzeugen pro Jahr mit 5 Anlagen 12 GWh Strom. Für die Projekte wurden eigene GmbH & Co KGs gegründet, die Bürger hatten Gelegenheit, sich daran zu beteiligen. Mit 24 Mio € sind die Bürger bislang ingesamt beteiligt – und die Leute wollten eher zu viel investieren, so BGM Zengerle.

Die Einzeleinlagen mussten gedeckelt werden, zur Zeit liegt das Maximum bei 100.000 € pro Person. Bei den älteren Anlagen war eine Beteiligung zwischen 5.000 und 25.000 € möglich. Eine 25.000 € Investition in ein gutes Windrad erzielt übrigens denselben Ertrag wie 10 Milchkühe oder 5 Gästebetten. Ab einer Windgeschwindigkeit vom 5,8m/s sei ein Windrad mit der neuen Technik (je höher die Nabe, desto besser) rentabel, so WKA-Initiator Wendelin Einsiedler in seinem Vortrag. Er selbst hat zwei Jahre lang den Wind gemessen, auf 10, 30 und 40 m Höhe. Messungen seien unerlässlich – es müsste jedoch nicht über ein ganzes Jahr gemessen werden, wenn Vergleichsdaten vorlägen.

Die Windräder selbst waren bemerkenswert unspektakulär. Groß ja – und ja, wir wissen, die in Berg angedachten sollen doppelt so hoch werden -, aber sie waren nur aus allernächster Nähe zu hören, und die Fundamente nahmen keine nennenswerte Fläche ein.

Wir fragten die Anwohner, ob sie sich gestört fühlten: “Nein – die Autos der vielen Besucher, die uns zuparken, stören uns viel mehr!” Geräusche seien nur sehr selten zu hören – “da ist der Zug oft lauter”.