Nägel mit Köpfen

Im Jahr 325 nach Christi Geburt, also gut 300 Jahre nach seiner Hinrichtung, reist die 75-jährige Kaiserin Helena nach Jerusalem, um das Kreuz zu finden, an das dieser genagelt wurde. Sie glaubt, es ausgerechnet in einer Zisterne eines Venustempels beim Hügel Golgatha gefunden zu haben. Der Venustempel wird abgerissen und an seiner Stelle die Grabeskirche gebaut, die sich heute noch an der Stelle in der Jerusalemer Altstatt befindet. Außer dem Schild INRI und diversen Splittern vom Kreuz dreht man Helena auch einige rostige Nägel an, die seitdem von der katholischen Kirche als Reliquien verehrt werden. Einer davon kommt nach Rom, ein anderer nach Trier, einen dritten läßt sich ihr Sohn, Konstantin der Große, in seinen Helm und in die Trense seines Schlachtrosses einarbeiten.

In der Bibel selbst ist von den Nägeln eher nicht die Rede. Entsprechend einem Songtext von Laurie Anderson (“It is not the bullet, that kills you, it’s the hole”), ist dort nur indirekt, von den Wundmalen, die die Nägel hinterlassen haben und die Jesus seinen Jüngern zeigt, zu lesen.


“Nägel mit Köpfen” von Hans Panschar.

Gelegenheit solche schöne Geschichten nachzuschlagen, gibt das “Kunstwerk des Monats” von Hans Panschar, das dieser heute Abend im Katharina-von-Bora-Haus in Berg vorstellt. Als evangelische Gemeinde ist man zwar fern der Reliquienverehrung, weshalb Hans Panschars Nägel auch keinen Anspruch auf Heiligkeit, wohl aber einen auf Schönheit erheben.

Glaubt man hingegen der katholischen Kirche ist Jesus mit mindestens 34 Nägeln gefoltert worden. So viele Reliquien vom heiligen Nagel werden in ihren Kirchen etwa weltweit verehrt. Überhaupt ist von den grausamen Folterpraktiken in Jerusalem in der Bibel eher weniger die Rede. Einzig im apokryphen Petrus Evangelium ist zu lesen, dass man nach dessen Tod “die Nägel aus den Händen des Herrn” herausgezogen habe und dass man ihm zuvor “nicht die Schenkel brechen sollte, damit er qualvoll sterbe”.

Das Brechen der Beine bedeutete beim Tod durch Kreuzigung gemeinhin eine Verkürzung der Leiden, da die Delinquenten sich dann nicht mehr abstützen konnten und die Chance hatten, an Atemstillstand zu sterben.


Die Reliquie des heiligen Nagels aus dem Dom von Trier

Eigenartig an der kirchlichen Handwerkszeugverehrung ist auch, dass es zwar heilige Nägel gibt, aber beileibe keinen einzigen heiligen Hammer. Ohne den Hammer (mit dem auch der Bildhauer Hans Panschar seine Nägel geschaffen hat) ist freilich jeder Nagel nutzlos. Da ist es nur gerecht, dass dieses Handwerkszeug, das eher schöpferische, also göttliche Züge trägt (“Hammer Gottes”) und das in der Bibel auch öfters erwähnt wird als Nägel, allwöchentlich geehrt wird: seinem heidnischen Träger Thor ist der vierte Tag der Woche, der Donnerstag (Thor’s Day / Thursday) gewidmet.

Hans Panschar wurde 1962 in München geboren. Nach einer Ausbildung zum Bootsbauer und Schreiner gründete er, nachdem er mehrere Jahre auf einem selbstgebauten Segelboot die Welt bereist hatte, 1995 eine Familie, eine Werkstatt und ein Bildhaueratelier in Allmannshausen, wo er seither lebt und arbeitet. Wie wir alle wissen, fährt er auch gerne auf großen Schiffen über Weltmeere und wirft kleine Kunstwerke als “Flaschenposten” ins Wasser: /?p=411/

Heute Abend wird es wie immer Wein und Brot geben und einen Text dazu. Um 19:30 Uhr geht es los.