Der Beginn der gestrigen Gemeinderatssitzung stand ganz im Zeichen der Mücke – die Zuschauerreihen waren gefüllt, die Luft war zum Schneiden dick. Bürgermeister Steigenberger führte in das Thema ein, auch um auf die laufende Petition zu reagieren, die bereits von über 1000 Personen unterschrieben wurde.
Suum cuique
Vor allem ging Bgm. Steigenberger auf die Bedingungen eines bti-Einsatzes ein. Applaus erhielt GR Peter Sewald, der die Situation in seiner Pension schilderte und grundsätzliche Schritte begrüßen würde. Nach ausgiebigen Diskussionen verschickte die Gemeinde Berg heute diese Stellungnahme, die wir in vollem Umfang veröffentlichen.
Stellungnahme der Verwaltung der Gemeinde Berg, 26.06.2024
Umgang mit Stechmücken auf dem Gemeindegebiet
Im Rahmen von wiederkehrenden Hochwasserereignissen und dadurch entstehenden Überschwemmungsflächen, kommt es innerhalb der Gemeinde Berg regelmäßig, wenn auch zeitlich begrenzt, zu einem verstärkten Auftreten von Stechmücken. Hiervon ist das gesamte Gemeindegebiet betroffen, insbesondere jedoch die Ortsteile Höhenrain, Sibichhausen und Allmannshausen. Aus diesem Grund wurden die Möglichkeiten zum Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln oder das Anlegen von Drainagen zur Reduktion überschwemmter Flächen im Bereich Allmannshauser Filz und südlich von Höhenrain, die als besonders betroffen gelten, in der Vergangenheit überprüft.
Es konnte dabei festgestellt werden, dass es sich bei diesen Flächen um großflächige Moorkomplexe handelt, deren Entwässerung mittels Drainagen eine erhebliche Beeinträchtigung oder Zerstörung des Hochmoors bedeuten und somit einen Abbau der organischen Substanz zur Folge hätte. Dies steht sowohl den Zielen des Klimaschutzes als auch denen des Umweltschutzes entgegen, da es zu einem Verlust eines wichtigen CO2-Speichers kommen würde. Eine Entwässerung dieses Bereichs ist daher nicht möglich oder gestattet (Landratsamt Starnberg, untere Naturschutzbehörde 2016). Diese Trockenlegung des Moors ist daher auch nach Ansichten des aktuellen Gemeinderats unverhältnismäßig und wird daher definitiv weiterhin ausgeschlossen.
Der Berger Gemeinderat entschied sich in der Vergangenheit (2010 und 2017) mehrheitlich gegen eine Mückenbekämpfung insbesondere aufgrund des überregionalen Handlungsbedarfs, der Kosten und der Erfolgsaussicht der unten genannten Genehmigungsverfahren. Als Abhilfe wurden daraufhin beispielsweise Nistkästen für Fledermäuse, die als natürliche Fressfeinde für Mücken gelten, in den betroffenen Flächen installiert (vgl. Sitzungsbuchauszüge 16.09.2010, 28.06.2011, 30.06.2016, 13.09.2016 und 14.02.2017). Trotz der bisherigen Entscheidungen hat der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 25.06.2024 die Verwaltung gebeten, sich erneut mit der Thematik auseinanderzusetzen. Vorab möchte die Verwaltung darauf hinweisen, dass es zur Bekämpfung der aktuell auftretenden Stechmücken keine direkte und unmittelbare Lösung gibt. Die Bevölkerung ist daher aufgerufen sich soweit notwendig mit entsprechenden Insektenschutzmitteln, Bekleidung etc. vor den Stechmücken zu schützen. Im hauseigenen Garten ist die Anwendung von Insektenbekämpfungsmitteln zulässig, sofern sie im freien Handel verkäuflich sind. Von einer Anwendung von Insektenbekämpfungsmitteln, die jedoch nicht gezielt Steckmücken im Larvenstadium treffen, sondern alle bereits aktiven Insekten betreffen, bittet die Verwaltung jedoch Abstand zu nehmen. Das Ausbringen von Insektenbekämpfungsmitteln auf öffentlichen Flächen ist ohne die Zustimmung der Verwaltung untersagt.
Voraussetzungen zum Einsatz von Insektenbekämpfungsmittel (z.B. B.t.i.)
In Deutschland kommt das Insektenbekämpfungsmittel B.t.i. großflächig beispielsweise am Oberrhein oder am Chiemsee zum Einsatz. Der großflächige Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln ist jedoch nicht ohne Auflagen möglich. Die Verwendung am Chiemsee erfolgte dank einer zeitlich beschränkten Befreiung für den Einsatz im Naturschutzgebiet. Grundlage für die Befreiung bildete eine gutachterliche Stellungnahme des Traunsteiner Gesundheitsamts, die einen signifikanten Anstieg der Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten nach Insektenstichen mit schwerwiegender Symptomatik vermerken konnte. Hiervon abgeleitet, wurde eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger durch die Stechmückenpopulation (Regierung von Oberbayern 2010) festgestellt.
Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG können Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen. Wann diese Einzelfallabwägungen dazu führen, dass eine Verwaltung vergleichbaren Maßnahmen wie am Chiemsee ausführen können, ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein Alleingang der Gemeinde bzw. Verwaltung ohne Abstimmung mit den übergeordneten Behörden ist in den o.g. Fällen jedoch nicht möglich.
Für den Landkreis Starnberg gibt das Gesundheitsamt Starnberg aktuell folgende Stellungnahme: „Auf Grund der zurückliegenden Starkregenereignisse und des Hochwassers ist es zu einer massiven Vermehrung u.a. von Mücken gekommen, so dass im Landkreis Starnberg momentan eine Mückenplage zu verzeichnen ist. Nach derzeitigem Stand besteht aber für die Landkreisbewohnerinnen und Landkreisbewohner (einschließlich der Landkreisgäste) keine akute Gesundheitsgefährdung durch Mückeneinwirkung. Sollten aber von außen durch Kratzen von juckenden Mückenstichen Erreger unter die Haut eingetragen werden, kann es (wie auch bei anderen Anlässen!) natürlich möglicherweise zu einer Infektion der Einstichstelle kommen. Empfehlenswerten Schutz vor entsprechenden Insektenstichen stellen neben langer Kleidung v.a. die Auftragung von Repellents auf die unbedeckte Haut dar.“ (Landratsamt Starnberg, Gesundheitsamt 2024)
Nach den o.g. Voraussetzungen liegt eine Gefährdung gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG für die Gemeinde Berg nicht vor. Daraus resultierend kann der Einsatz von Insektenbekämpfungsmittel durch großflächige Befliegung ausschließlich unter den folgenden Voraussetzungen erfolgen:
- eine natur- und artenschutzrechtliche Prüfung ist erforderlich, wenn das Präparat auf geschützten Flächen eingesetzt werden soll oder geschützte Arten betroffen sein können. Je nach Schutzkategorie der Flächen und Arten ist eine natur- und artenschutzrechtliche Befreiung erforderlich. Notwendig wäre hierfür die Einhaltung gewisser Auflagen wie z.B. eine Berichtserstattungspflicht und Monitoring der Entwicklung der Stechmückenpopulation. Zur Abgrenzung der zu befliegenden Bereiche bedarf es einer Kartierung der betroffenen Flächen. Auf Basis dieser Daten müsste festgestellt werden, ob einer Befreiung nach §67 BNatSchG stattgegeben werden kann;
- sollte es zu einem Einbringen z.B. von dem Insektenbekämpfungsmittel B.t.i. auf oberirdischen Wasserflächen, die in Verbindung zu Gewässern dritter oder höherer Ordnung stehen, kommen, so findet § 8 Abs., 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG Anwendung, welcher das Einbringen von Stoffen in oberirdische Gewässer als genehmigungspflichtig festsetzt;
- das Ausbringen von Insektenbekämpfungsmittel auf dem Eigentum Dritter kann nur im Zusammenhang mit entsprechender Gesundheitsgefährdung rechtssicher erfolgen. D.h. solange keine allgemeine Gesundheitsgefährdung vorliegt, bedarf es einer Zustimmung der jeweiligen Flächeneigentümer zur Verwendung des Mittels auf eben jenen Flächen.
Geplantes Vorgehen der Gemeinde Berg
Nach ausgiebiger Diskussion im Gemeinderat in seiner Sitzung vom 25.06.2024 plant die Verwaltung der Gemeinde Berg nun folgendes Vorgehen:
Wo und wie entstehen die größten Populationen von Steckmücken?
Eine Kartierung der zu behandelnden Flächen müsste demnach in einem ersten Schritt von einem fachkundigen Experten erstellt werden, um Bereiche, die unter die oben genannten Kategorien fallen, zu sondieren und somit weitere Verfahrensschritte zu ermitteln. Insbesondere das Allmannshauser Filz, welches größtenteils ein Biotop darstellt, wäre hier zu berücksichtigen (Landratsamt Starnberg, untere Naturschutzbehörde 2016).
Welche positiven und negativen Aus- und Einwirkungen hat der Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln, wie z.B. B.t.i.?
Hierzu sollen sich Experten sowohl vom Bund Naturschutz, den Herstellern von Insektenbekämpfungsmitteln, betroffenen Gemeinden mit Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln und der Zoologischen Staatssammlung Bayern bei der Gemeinde bzw. dem Gemeinderat vorstellen.
Kann die Regulierung der Pegelstände nach Stark-/Regenereignissen so optimiert werden, dass damit auf die Entstehung der Stechmückenpopulation reagiert werden kann?
Die Rückhaltebecken bzw. Dammanlagen werden gemeinsam mit einem Ingenieurbüro auf eine Optimierung der Maßnahmen begutachtet.
Können kleinere Maßnahmen, wie z.B. das Mähen von öffentlichen Flächen, welche dem Entstehen der Stechmückenpopulation dienlich sind, helfen, dass der Grund und Boden nach Stark-/Regenereignisse schneller wieder trocknet?
Betrachtung der öffentlichen Flächen auf Umsetzbarkeit und Hinweise an die Bevölkerung
Die Gemeinde Berg ist bemüht die Lebensqualität für alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde bestmöglich zu sichern und Problemen entgegenzuwirken.
Weiterführende Informationen zum Insektenbekämpfungsmittel B.t.i.
Zur großflächigen Bekämpfung von Stechmücken kommen meist Insektizide zum Einsatz, wobei das Bacillus thuringiensis subsp. israelensis als einziges Larvizid in die EU-Biozid-Richtlinie aufgenommen wurde (Europäische Kommission 2015). Eingebracht wird B.t.i. großflächig mittels eines Trägerstoffs wie Eisgranulat, Sand oder Öl meist mit dem Hubschrauber in einer Höhe von 10 Metern über der Vegetation oder 50 Metern über dem Boden auf die entsprechenden Wasser- und Überschwemmungsflächen (Wolfram und Wenzlund 2018). Frei verkäuflich kann B.t.i. auch in Tablettenform in Gewässern innerhalb des eigenen Gartens verwendet werden. Eine Reduktion der Stechmückenlarven konnte innerhalb verschiedener Studien durch den Einsatz von B.t.i. nachgewiesen werden (Land und Miljand 2014). Eine Reduktion von Stechmücken im adulten Lebensstadium oder der übertragbaren Krankheiten kann aufgrund des hohen Aktionsradius von ca. 20 Kilometern der Mückenarten und der lokalen Verhältnisse nur bedingt abgeleitet werden (Wolfram und Wenzlund 2018). Die Wirkungsweise von B.t.i. beschränkt sich somit auf die Aufnahme innerhalb des Larvenstadiums. Dabei führt die Reaktion der Kristallproteine mit dem Darmmilieu der Larven zu einer Darmparalyse und Perforation der Darmwand und somit zum Tod der Insektenlarve (Ben-Dov 2014). Eine grundsätzliche Anwendung auf Eier, Puppen oder Adulttiere ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht denkbar (Land und Miljand 2014).
Zur direkten und indirekten Wirkung von B.t.i auf andere Wirbellose und Wirbeltiere lässt sich Folgendes auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse festhalten: Bei Einhaltung der üblichen Dosierung von B.t.i. bestätigen Studien keine direkte Wirkung auf Wirbellose und Wirbeltiere außerhalb der Ordnung der Zweiflügler. Direkte Betroffenheit äußert sich jedoch bei Arten, die den Stech- und Kriebelmücken taxonomisch ähnlich sind, wie beispielsweise der Zuckmücke. Eine Reduktion des Nahrungsangebots für Wirbeltiere ist demnach denkbar. Solche indirekten, negativen Effekte auf Nicht-Zielorganismen im Zuge des Einsatzes des Larvizids können aufgrund mangelnder langjähriger Studien und der vielfältigen Einflussfaktoren vollumfänglich weder bestätigt noch widerlegt werden (Wolfram und Wenzlund 2018). Grundsätzlich ist aus diesem Grund Zurückhaltung beim Einsatz von B.t.i. geboten (KEMI 2015).
Quellen
Ben-Dov, Eitan (2014): Bacillus thuringiensis subsp. israelensis and its dipteran-specific toxins. Toxins. In: Toxins. 6 (4)1222–1243
Europäische Kommission (Hrsg.) (2015): Durchführungsverordnung (EU) 2015/405 der Kommission vom 11. März 2015 zur Genehmigung von Bacillus thuringiensis subsp. israelensis Serotyp H14, Stamm SA3A als Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18.
Fein, E.; Orgassa, T.; Behringer, D. (2023): Management von Aedes albopictus, der asiatischen Tigermücke, in einem ländlichen Landkreis, Entwicklung seit 2020. In: Das Gesundheitswesen 2023; 85(S01): 35 – 36.
Gemeinde Berg (2010): Antrag der CSU-Fraktion; Möglichkeiten der Mückenbekämpfung. Sitzungsbuchauszug vom 14.09.2010.
Gemeinde Berg (2011): Antrag Gemeinderat Streitberger auf erneute Diskussion der Mückenproblematik. Sitzungsbuchauszug vom 28.06.2011.
Gemeinde Berg (2017): Mückenbekämpfung; Kurzvortrag von Herrn Matthias Galm. Sitzungsbuchauszug vom 14.02.2017.
Kemikalieinspektionen (KEMI), (Hrsg.) (2015): Product Assessment Report related to product authorisation under regulation (EU) No 528/2012: VectoBac G and VectoBac GR. Kemikalieinspektionen, Swedish Chemicals Agency, Sundbyberg, Sweden.
Land, Magnus & Miljand, Matilda (2014): Biological control of mosquitoes using Bacillus thuringiensis israelensis: a pilot study of effects on target organisms, non-target organisms and humans. Mistra EviEM Pilot Study PS4 (www.eviem.se), Stockholm.
Landratsamt Starnberg, Gesundheitsamt (2024): Mückenplage Berg. E-Mail vom 24.06.2024.
Landratsamt Starnberg, untere Naturschutzbehörde (2016): Maßnahmen zur Mückenbekämpfung. Stellungnahme.
Regierung von Oberbayern (Hrsg.) (2010): Natur- und Artenschutzrecht; Stechmückenbekämpfung durch B.t.i. am Chiemsee und im Naturschutzgebiet „Mündung der Tiroler Achen“.
Wolfram, Georg & Wenzlund, Philipp (2018): Gelsenregulierung mittels Bacillus thuringiensis israelensis (BTI)-Eine Bewertung aus gewässerökologischer Sicht. Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (Hrsg.). Wien.
Interview vor der Pension Sewald
Auch die überregionale Presse interessiert sich bereits – zwei junge Männer von München TV wurden heute von Peter Sewald und Elke Link Richtung Höllgraben geführt und verließen den Wald ziemlich zerstochen.