Das Wahrzeichen von Berg hat ein neues, ein republikanisches Gesicht bekommen. Unbekannte haben am Vorabend des 200. Geburtstages des Psychiaters Dr. Bernhard Ritter von Gudden (7.6.1824 – 13.6.1886) der mit König Ludwig unter ungeklärten Umständen in Berg am Ufer des Starnberger Sees eines gewaltsamen Todes gestorben ist, ein ehrenvolles Denkmal gesetzt.
Im Tod und Gedenken endlich vereint: Dr. Gudden, dessen 200 Geburtstag heute ansteht und sein Patient der Ex-König Ludwig II.
Eine Hundebesitzerin, die allabendlich ihren Königspudel im Schloßpark ausführt, hatte uns bei Sonnenuntergang auf das kleine Wunder aufmerksam gemacht. Sofort haben wir ungläubig die neue Gedenkstätte besichtigt. Berg hat jetzt zwei Gedenkstätten, die nebeneinander liegen. Etwas kleiner als das Ludwig-Kreuz findet sich an der weltbekannten Stelle plötzlich ein neues zweites Kreuz mit der Aufschrift DR. BERNHARD VON GUDDEN. Schlicht aber elegant, vornehm etwas kleiner als das Ludwigs-Kreuz steht es wie von Zauberhand dorthin gesetzt im Wasser. Dr. Bernhard Gudden war der behandelnde Arzt des abgesetzten Königs, obendrein einer der führenden, liberalen Psychiater des 19. Jahrhunderts. Friedvoll stehen nun bürgerliche Wissenschaft und königlicher Prunk nebeneinander.
Erst unlängst hatte sich eine Besuchergruppe aus Bergs Partnerstadt Phalsbourg gewundert, wieso an der Stelle nur dem als wahnsinnig erklärten König und nicht dem ihn begleitenden Wissenschaftlers gedacht werde. (Siehe unseren Bericht hier:https://quh-berg.de/nachgetragen-besuch-aus-phalsbourg/)
War er die Inspiration? – Bericht des Merkurs über den Besuch der Phalsbourger Schüler im März diesen Jahres
Diesem Wunsch der Schüler wurde jetzt Rechnung getragen. Das im See errichtete Kreuz sieht so schlicht und edel aus, als ob es den Errichtern mit ihrer Aktion durchaus Ernst ist, dem Toten Gudden ehrenvoll zu gedenken. Das Kreuz ist offenbar aus massiven Holz fachmännisch gefertigt und liebevoll bemalt worden. Die Anstrengung, es heimlich hier im See zu errichten, mag nicht gering gewesen sein.
Aus massiven Holz und offensichtlich professionell bemalt
Das neue Kreuz fühlt sich eigenartigerweise gut in das Ensemble ein. Erst jetzt wird die Tragödie, die sich hier im See abgespielt haben muß, sichtbar und erfahrbar. Womöglich sehen es die Königstreuen Uniformträger, die sich alljählich an der Votivkapelle versammeln anders: aber endlich wird hier auch des Opfers gedacht. Der Leichnam von Dr. Gudden zeigte Spuren von Gewaltanwendung. Der einzige Mensch, der erwiesenermaßen bei seinem Ableben in seiner Nähe war, war Ex-König Ludwig II.
Wer war Opfer, wer war Täter?
Die Initiatoren der Aktion haben offenbar gut recherchiert. Die Größenverhältnisse der Kreuze entsprechen wohl ungefähr den Größenverhältnissen zwischen Arzt und Patient (Ludwig war viel größer und kräftiger). Die Lage des neuen Kreuzes neben dem alten Königskreuz entspricht ziemlich exakt den zeitgenössischen Skizzen, die vom Tatort gemacht wurden. Auch da lag Guddens Leiche vom Ufer aus gesehen links neben dem ehemaligen König (siehe links unten auf der nachstehenden Skizze).
Zeitgenössische Tatortskizze
Die QUH hatte übrigens am 1. April dieses Jahres scherzhaft vermeldet, dass zum heutigen 200. Geburtstag Bernhard von Guddens an dieser Stelle ein Kreuz errichtet werden sollte. (https://quh-berg.de/es-war-doppelmord-ein-zweites-kreuz-im-starnberger-see-zum-gedenken-an-dr-gudden/) Wir legten damals dem Bürgermeister die Worte in den Mund: “In der heutigen, aufgeklärten Zeit sollte es selbstverständlich sein, dass wir nicht nur ehemaligen Königen, sondern auch Personen der Wissenschaft gedenken“. Es wäre zu wünschen, dass aus diesem Scherz, der nun Wirklichkeit geworden ist, eine bleibende Einrichtung wird.
Ein erstes Kreuz war an dieser Stelle zuerst 1918 von Königstreuen errichtet worden. 1961 wurde schließlich das heutige, weltbekannte Kreuz enthüllt. 1986 wurde es von Jugendlichen abgesägt und später wieder erneuert.
Die feierliche Enthüllung des ersten Kreuzes 1961
Wer mehr über Dr. Gudden wissen will. Hier im Blog verfaßten wir zu dessen 125. Todestag eine eingehende Würdigung; https://quh-berg.de/zum-125-todestag-19472435/
Obendrein haben wir schon vor einem Jahrzehnt so akribisch wie nur möglich und minutengenau recherchiert, was in der Tatnacht (die sich nächste Woche jährt) eigentlich passiert ist: https://quh-berg.de/der-tote-vom-see-moerder-oder-opfer-dr-gudden-876867245/
König Ludwig II. scheint fest entschlossen, in den Tod zu gehen. Dr. Gudden scheint den König zurückhalten zu wollen. Der Hut des Königs schwimmt vorne im Wasser. (Zeitgenössische Postkarte)