Zum 125. Todestag

Jetzt, da sich sein 125. Todestag nähert, ist es an der Zeit, an den tragischen Tod eines bedeutenden Menschen zu erinnern, der hier in Berg in Ausübung seines Berufes ums Leben kam. Seine humane Geisteshaltung wurde ihm zum Verhängnis:


Die letzte Stunde: Der Paranoiker und sein Arzt

Dr. Bernhard von Gudden, der den Ex-König Ludwig als Arzt auf seinem letzten Spaziergang begleitete, gilt als einer der führenden deutschen Psychiater des 19. Jahrhunderts. Zum Rätsel um seinen Tod gibt es in Mediziner- und Historikerkreisen eine fast einhellige Meinung: Als logische Erklärung gilt, dass Prof. Dr. Gudden, der als Arzt die Meinung vertrat, dass man geistig Kranken mit Verständnis und Respekt statt mit Zwang begegnen müsse, im Berger Schlossgarten von seinem nervenkranken Patienten umgebracht wurde. Auf Grund seiner medizinischen Überzeugung konnte Gudden dem eingesperrten Ex-König den Wunsch nach einem Spaziergang im Freien nicht abschlagen. Wahrscheinlich hatte der körperlich weit unterlegene Gudden dann versucht – so wie es als Arzt seine Pflicht war -, seinen Patienten von einem Selbstmordversuch abzubringen, und fand daraufhin selbst den Tod im See.


Bernhard Gudden (1824-1886), Vater von neun Kindern, Sohn eines Bierbrauers, stammte aus dem “preußischen” Kleve

Schon in seiner Studienzeit fiel Bernhard Aloys Gudden durch eine auffallend liberale Geisteshaltung auf. Ludwig II. erhob 1875 den hoch angesehenen Wissenschaftler, den er aus der Schweiz geholt hatte, in den Adelsstand. Grund: Gudden, damals Professor für Psychiatrie an der Universität München und Direktor der Irrenanstalt in Haar, hatte sich als Arzt vorzüglich um den an Epilepsie erkrankten Wittelsbacher-Prinzen Otto gekümmert.

Medizinisch erregte Gudden überregional Aufsehen, weil er ein überzeugter Verfechter des “No-Restraint-Prinzips” in der Psychiatrie war. Das heißt: Anders als damals üblich, versuchte er, geisteskranke Patienten ohne alle Zwangsmaßnahmen und ohne körperliche Misshandlung zu therapieren. Darüberhinaus war Gudden auch als Neuroanatom wegweisend. Er führte beispielsweise die Methode der Serienschnitte des Gehirns ein, die inzwischen in der Computer-Thomographie (CT) und der Magnet-Resonanz-Therapie (MRT) neue Aktualität bekommen haben. Viele der Gudden’schen Prinzipen finden noch heute in der psychiatrischen Behandlung Anwendung.


Dr. Gudden: fortschrittlicher Arzt und tragisches Opfer

Guddens Schicksal ereilte ihn in Gestalt des von der Regierung im März 1886 in Auftrag gegebenen Gutachtens über den Geisteszustand des Königs: Weil eine persönliche Untersuchung des Königs für unausführbar erklärt wurde, urteilte Gudden – zusammen mit drei Kollegen – nach den von der Regierung vorgelegten eidesstattlichen Akten. Ob Guddens Urteil “Paranoia und Geistesschwäche” gerechtfertigt war, darüber streiten heute noch die Ärzte. In der jüngsten Veröffentlichung von Prof. Dr. Hippius in der Zeitschrift “Der Nervenarzt” heißt es allerdings zusammenfassend: “Die Entmachtung folgte dem in der Verfassung vorgeschriebenen Weg. Gudden und seine Kollegen haben ein auch unter heutigen Gesichtspunkten valides und den Umständen angemessenes Gutachtensverfahren durchgeführt. Die mit dem Tode von Patient und Gutachter endende Königskatastrophe ist allerdings einer Fehleinschätzung Guddens zuzurechnen, die in der Rollendiffusion zwischen Gutachter und behandelndem Arzt begründet ist.”!


Der entmachtete König und sein machtloser Psychiater

Obwohl davon auszugehen ist, dass Ludwig von Bayern aus dem Hause Wittelsbach Dr. Gudden in seiner letzten Stunde ermordet hat, so trifft den Ex-Monarchen doch – nach einer Regel, die der Getötete für sein Klinikum in Haar aufgestellt hatte – nur begrenzt Schuld. In Haar galt Guddens Regel: „…keinem Geisteskranken ist es zuzurechnen, was er tut oder unterlässt. Selbst wenn er noch so bösartig erscheint und seine Umgebung noch so sehr und vielleicht sogar mit Überlegung und Absicht reizt und quält, so ist es der Zwang der Krankheit, dem er unterliegt…..“

An den König und vermutlichen Mörder Ludwig erinnern ein weltbekanntes Kreuz im See und eine Votivkapelle. An diesem Wochenende gedenken seiner allerorts die offiziellen Stellen, ein ganzes Dorf und halb Bayern. An Ludwigs Opfer, das seine ärztliche Fürsorge mit dem Leben bezahlte, an den fortschrittlichen Psychiater Dr. Gudden erinnert am Münchner Ostfriedhof (Grabmauer links Nr. 5) ein schmuckloser Familiengrabstein.

Der BR hat ein Kurzportrait über Dr. Bernhard Gudden gesendet. Der sehr sehenswerte 3-Minuten-Film findet sich hier: http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/schwaben-und-altbayern-aktuell/gudden-bernhard-von-gudden-hilmer-ID1306318988572.xml