“Du hast keine Chance, aber nutze sie!”, allein für die Erfindung dieses Spruches (sie stammt aus seinem Film “Die Atlanktikschwimmer”) würde Herbert Achternbusch Weltruhm gebühren. Viele weitere, weise Sprüche stammen von dem bayerischsten aller Extremgrantler, Valentinnachfahren und Universalkünstler. Ein anderer lautet: “In Bayern möchte ich nicht einmal mehr gestorben sein.” – Da ein anderer Platz dafür auch nicht in Frage kam, ist es diese Woche in München dann doch passiert: Herbert Achternbusch ist – wie gestern bekannt wurde – nach langer Krankheit und Verzweiflung, die ihn schon länger zum Verstummen gebracht hatte (“Meine Zeit ist vorbei. Meine Zeit hat es nie gegeben. Was ich mache, interessiert keinen mehr wirklich.”), in München verstorben. Die Welt ist um ein kleines Wunder ärmer.
Herbert Achternbusch 2009 schlecht gelaunt bei seiner Ausstellung im Berger Marstall
Sein 83-jähriges Leben hat Herbert Achternbusch selbst in 8 1/2 kurzen Sätzen zusammengefaßt: „Ich musste 1938 auf die Welt kommen, nachdem ich mir meine Eltern schon ausgesucht hatte. Meine Mutter war eine sportliche Schönheit vom Land, die sich nur in der Stadt wohlfühlte. Mein Vater war sehr leger und trank gern, er war ein Spaßvogel. Kaum auf der Welt, suchten mich Schulen, Krankenhäuser und alles Mögliche heim. Ich leistete meine Zeit ab und bestand auf meiner Freizeit. Ich schrieb Bücher, bis mich das Sitzen schmerzte. Dann machte ich Filme, weil ich mich bewegen wollte. Die Kinder, die ich habe, fangen wieder von vorne an. Grüß Gott!“
Seinen Auftitt in Berg hatte “Unser Herbert” 2009. Der damalige Kulturbeauftragte Jokl Kaske hatte im Marstall ein kleines Achternbusch-Festival mit Filmen, Lesung und einer denkwürdigen Ausstellung großformatiger Gemälde organisiert, bei der manches Werk auch seinen Weg in ein Berger Wohnzimmer fand. Der Künstler (“Es ist ein Leichtes beim Gehen den Boden zu berühren.”), der ganz in Schwarz erschien, war von der Berger Society trotzdem gebührend genervt und angemessen schlecht gelaunt.
Herbert Achternbusch 1977 “Servus Bayern”
Ganz in Weiß hingegen war der Maler, Filmemacher, Sprücheklopfer, Dramatiker, Anarchist, Selbstschauspieler und Regisseur Achternbusch in seinem Film “Servus Bayern” aufgetreten, der mit dem damals richtigen Satz begann “Am Starnberger See lebt der Dichter Herbert Achternbusch”. In ihm findet sich auch eine Beschreibung unserer Landschaft, die da lautet: “Diese Gegend hat mich kaputt gemacht und ich bleibe so lang, bis man es ihr anmerkt“. Das hat nicht geklappt. Die ARD nahm den Film trotzdem aus dem Programm. Herbert ist weiter nach München gezogen, nachdem er sich mit seinem Ambacher Wirt, Freund und Mitstreiter Sepp Bierbichler, mit dessen Schwester Annamirl er acht Jahre zusammengelebt hatte, gehörig gestritten hatte. Fazit: “Das Schönste am Starnberger See ist die Wasserfläche – die hat nämlich gar nichts mit dem zu tun, was außen herum ist.”
Den geistigen Anarchismus, den man Achternbusch immer gerne unterstellt hat, konterte dieser (“Kunst kommt von Kontern”) gerne mit dem Satz: “In Bayern sind 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle die CSU.” Diese CSU überzog den Filmemacher trotzdem für seinen Christus-Film “Das Gespenst” (1982) mit Blasphemievorwürfen und verweigerte ihm illegalerweise die Fördergelder. 10 Jahre musste Achternbusch dagegen vor Gericht streiten, bis er 1992 den letzten Prozess gewann. Trotzdem hatte die Staatspartei Erfolg. Das Fernsehen traute sich nicht seine Filme zu senden. Fördergelder flossen nicht mehr. Hatte Herbert vor dem Skandal jährlich 1-2 Filme machen können, waren es seit 1993 nur noch 5.
Achternbusch, der akademisch ausgebildet Maler, hinterlässt außer einem umfassenden “Andechser Gefühl” (1974) an die 30 einzigartige Filme, ungefähr 50 Prosaveröffentlichungen, 28 Theaterstücke (er schrieb sie nur, um Geld für seine Filme zu verdienen) und zahllose Gemälde und Skulpturen. Eines davon heißt “Aurora” und hängt wandgroß in einem Berger Wohnzimmer:
Der Elefant “Aurora”, Gemälde von Herbert Achternbusch
Wir lernen daraus: “Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt darin um.” – Wer es tut, irgendwann leider auch. Ein Beispiel ist die heute unglaubliche, unfassbare, live, ohne jeden Schnitt und ohne jede Drehgenehmigung produzierte, improvisierte Randalierszene aus dem “Bierkampf” (1976), in dem sich Achternbusch in falscher Polizistenuniform durch ein Oktoberfestbierzelt prügelt, pöbelt und fremder Leute Bier trinkt, sich wie ein Affe aufführt und wie ein solcher gefüttert wird … die Kamera immer dabei. Schauen Sie sich das an und staunen Sie, was einmal auf der Welt künstlerisch möglich war (und wie es auf dem Oktoberfest 1976 zuging, wo kein Mensch eine Tracht trug):
Bayerischer Chaplin, Valentin und Pöbel: der unfaßbare Achternbusch in Aktion
Mehr zu Achternbusch unter anderem hier: https://quh-berg.de/servus-herbert-565872783/ oder hier https://quh-berg.de/erste-etappe-herbert-in-berg-5515701/ oder hier https://quh-berg.de/was-macht-eigentlich-herbert-5505103/ und hier https://quh-berg.de/hoerspiel-am-starnberger-see/.
Und einen Spruch hab ich noch: “Die Frage ‘Haben Sie ein Hirn?’ kann einwandfrei nur der Metzger beantworten” – Leider sagt der inzwischen auch meistens “Nein.”
Danke für den schönen Nachruf
So ein schöner Text!