Wider das Vergessen

Auf den Tag vor 77 Jahren begann der Komponist Karl Amadeus Hartmann in Kempfenhausen, seine Klaviersonate “27. April 1945” zu komponieren. Zu hören war sie heute im Rittersaal von Schloss Kempfenhausen.

Lauriane Follonier spielt die Klaviersonate “27. April 1945” von Karl Amadeus Hartmann

Ausgerechnet im Lüderitzweg (der in Berg immer noch so heißt, benannt nach dem deutschen Kolonialverbrecher Adolf Lüderitz), wo sich Karl Amadeus Hartmann bei seinen Schwiegereltern in Kempfenhausen versteckt hielt, entstand die Klaviersonate.

Hartmann hatte achtundzwanzigjährig mit der Machtergreifung seine vielversprechende Karriere aufgegeben – er wollte, so Andreas Hérm Baumgartner, seit 2007 geschäftsführender Vorsitzender der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft, in seiner kurzen, aber umso luzideren Einführung, mit seiner Musik keinesfalls Teil des Schreckensregimes sein. Hartmanns Werke wurden  während dieser Zeit ausschließlich im Ausland aufgeführt, ansonsten schrieb er für die Schublade. Eine Art der innerem Emigration mit gezielten Anspielungen in den Kompositionen – Einbeziehung jüdischer Lieder, einschlägige Widmungen. Nach dem Krieg wurde Hartmann Dramaturg an der Bayerischen Staatsoper und rief die Konzertreihe musica viva ins Leben.

Am 27. April 1945 sah er in Kempfenhausen den Todesmarsch der KZ-Häftlinge von Dachau aus Richtung Tölz vorbeiziehen. “Unendlich war der Strom, unendlich war das Elend, unendlich war das Leid”, stellte er als Motto der Sonate voran.

Der Abend war Teil der Gedenkveranstaltungen zum Todesmarsch, seit Jahren organisiert von Rainer Hange vom Verein “Gegen Vergessen – für Demokratie” organisiert. Im Landratsamt, das mit Elisabeth Carrs “Kunsträume am See” das Konzert veranstaltete, ist noch die Ausstellung “Euthanasie im Landkreis Starnberg” zu sehen, die am Sonntag von Kreisarchivarin Friederike Hellerer eröffnet wurde.

Nach der Begrüßung durch Elisabeth Carr sprach die ehemalige Justizministerin der Bundesrepublik Deutschland Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eindringliche Worte gegen das Vergessen – in Anbetracht der derzeitigen Situation in der Ukraine. Die Historikerin Prof. Dr. Marita Kraus hielt einen Vortrag über die “Zwischenwelten. April und Mai 1945 am Starnberger See”. Sie arbeitete auch, zusammen mit Erich Kasberger, die Geschichte Pöckings während der Nazizeit auf. Laurianne Follonier spielte das schwierige, intensive und gerade mit dem Vorwissen bedrückende Werk grandios.