Mit dem Ministerpräsidenten unterwegs

Vieles an der Berger Gemeinderatspolitik erinnert an ihn: die Konzentration auf das “Machbare”, eine konservative Grundstimmung, inklusive einer gewissen Nähe zu “Industrie” und Handwerk. Auf der anderen Seite aber auch das überzeugt Grüne, das man gegen jeden Widerstand durchsetzt (Windräder) oder auch (teilweise) die wilde Jugend: Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg ist nicht nur der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands (in einem zutiefst “schwarzen” Bundesland), sondern auch einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Letztes Jahr wollte Angela Merkel ihn sogar zum Bundespräsidenten machen. Aber was bitte, hat das alles mit Berg zu tun?

Morgen 23h in der ARD: Reinhold Beckmann interviewt Winfried Kretschmann in einem Film von Andreas Ammer

Nun: Wenn der Berger Gemeinderat Andreas Ammer (QUH) Dienstag von der 7. Gemeinderatssitzung nach Hause geht, nachdem er über ein halbes Dutzend Bebauungspläne abgestimmt hat, wird er auf dem Sofa sein Portrait des beliebten Politikers Winfried Kretschmann anschauen, das er zusammen mit Reinhold Beckmann für die ARD in den letzten Monaten gedreht hat (und weswegen er auch einige Male die Gemeinderatssitzung verpasste). Die Zeitung mit den großen Buchstaben kündigte den Film (der nach dem Pokalhalbfinale in der ARD läuft), schon einmal reißerisch als “Kretschmanns letzte Geheimnisse” an: “Er geht kaum noch in die Kirche” / “Er trägt am liebsten Pulli und Parka” / “Er leidet unter Schlafmangel”. 

Ausriss aus der Stuttgarter Bild Zeitung vom 24.5.2017

Jenseits dieser privaten Details, die die Filmemacher dem Ministerpräsidenten entlocken konnten, geht es in der Reportage aber auch ernsthaft um die große Bundespolitik: Mit wem sollen oder werden die Grünen im Herbst koalieren? / Wäre Kretschmann gerne Bundespräsident geworden? / Ist er dem Seehofer böse, dass er dies verhindert hat? / Wie hat es der ehemalie Kommunist Kretschmann geschafft, im “Musterländle” über 30% Stimmen zu erhalten und die Grünen zur Volkspartei zu machen? / Und wie rechtfertigt er es, in der Flüchtlingsfrage seine eigene Partei gegen sich aufzubringen?

Turbulente Szenen: Grüne protestieren gegen die Flüchtlingspolitik ihres eigenen Ministerpräsidenten

Vor allem aber beeindrucken die privaten Momente, in denen Beckmann und Ammer dem sonst eher als “knorrig” bekannten Politiker nahekommen: beim Hetzen in der grünen Limousine von Termin zu Termin, nachdenklich im heimischen Garten, ausgelassen beim bunten Fastnachtstreiben, souverän als Ministerpräsident in seinem “Schloss”, dem Staatsministerium oder schlagfertig im Gespräch mit einer Nonne, die sich bei ihm bedankt, dass er bei allen Erfolgen nicht glaube “er sei Gott“: Naja, er sei ja nicht mal der “König von Baden-Württemberg, obwohl das viele glauben“.

Winfried Kretschmann in einem privaten Moment im geliebten Parka: “Zuhause ist Zuhause, da braucht man erst Mal gar nichts hineinzudeuten.” (Fotos: A. Ammer)