Leonihausen

“Die wahre Heiterkeit, das wahre Leben am See, ist nur auf der Villa Leoni zu Hause” … wusste im Jahre 1826 der Unterhaltungsschriftsteller Friedrich Wilhelm Bruckbräu. – Es gibt Menschen, über die man sagt, sie hätten so viel erlebt, dass sie ein Buch schreiben könnten. Wäre der Berger Ortsteil Leoni ein Mensch, so könnte man genau das über ihn behaupten, wobei das Besondere an dieser Aussage ist, dass Leoni wirklich ein Mensch war, ein Ausländer, ein Italiener obendrein: Giuseppe hieß er, am Starnberger See angekommen nannte er sich Joseph. Der Berger Ortsteil Leoni ist nach ihm benannt, und am Samstag wird das belesene Buch, das über ihn gerade erschienenen ist, um 16 Uhr vor Ort im Café beim Fischer Gastl vorgestellt.

Ankunft von “Hr. Leoni, Baßist von Rom” in München am 12.3.1788 im Luxushotel Schwarzer Adler

Als Giuseppe Leoni nach München kommt, ist er wahrscheinlich erst 18 Jahre alt und kommt nicht aus Rom, sondern mit seiner Mutter aus Palermo, Sizilien, aus einer musikalischen Familie mit dem heute noch klingenden Namen Coppola. Ein paar Jahrzehnte später, 1825, erwirbt der königliche Hofsänger – inzwischen zum zweiten Mal mit einer Deutschen verheiratet – für 2000 Gulden ein Grundstück in Assenbuch am Starnberger See. Wenig später erhält er nach einigem Hin und Her (auch damals war es nicht allzuleicht, etwas genehmigt zu bekommen) die Zusage, “eine beschränkte Seegastwirthschaft auf seinem bei Assenbuch am Würmsee errichtetes Gebäude” zu betreiben. Er nennt sie “Leonihausen”. Es ist die Geburtsstunde des Ortes Leoni.

Die Geburtsstunde des Starnberger-See-Tourismus: “Leonihausen”

Die Wirtschaft war damals noch eine gute Tagesreise von München entfernt, erfreute sich aber – nicht zuletzt wegen der Künstlerkontakte des Betreibers – bald großer Beliebtheit, andere “Lusthäuser” folgten, wovon diverse Bilder und eine Beschreibung des bayerischen Schriftsteller Adolph von Schaden zeugen:

Am Ostufer des Würmsees (Kolorierter Holzstich nach einer Zeichnung von A. Specht 1870)

“Auf dieser Stelle nun, wo ehevor nur eine unbedeutende, jetzt noch vorhandene Fischerhütte stand, haben sich in den jüngsten Jahren mehrere Verehrer und Freunde des liebreizenden Starnberger-Sees angesiedelt, und nach und nach auf derselben geschmackvolle Lusthäuser erbaut, die jetzt zusammen eine höchst elegante und überraschende, im Sommer ungemein belebte Kolonie bilden, welche die Zierde des Sees ist. Den ersten Impuls zur Gründung dieser kleinen Pflanzstadt gab der königl. pensionirte Hofmusikus Herr Leoni, welcher hier i. J. 1825 eine allerliebste, im italienischen Geschmacke angelegte und mit einem bedeckten Balkone versehene Villa erbaute, die selbe mit englischen Parthien umgab und sofort Leonihausen nannte. […] Man findet in Leonihausen schöne Zimmer, herrliche Betten und eine Bedienung, welche nichts zu wünschen übrig läßt; bei günstiger Witterung im Sommer versammelt sich hier viele Gesellschaft aus den gebildeten Ständen der Haupt- und Residenzstadt.

All dies und noch viel viel mehr erfährt man in einer bis zur Detailbesessenheit opulent recherchierten Biographie von Christian Lehmann, “Joseph Leoni. Ein Italiener am Starnberger See“, erschienen im Volk-Verlag (18 Euro). Ein Buch, das nicht nur alles, sondern wirklich ALLES über Joseph Leoni weiß, das in jeden Berger Haushalt gehört und dem auch die folgende schöne Bilderfolge über den Auf- und Abstieg des ehemals so schönen Leonihausen entnommen ist:

Leoni auf einer seltenen Photographie von 1880

Wenig später (1890) ist das alte Haus von einem Neubau verdeckt

Um 1900 wird das Hotel schlossartig erweitert, das Dampfboot legt an

Leoni 1970: das Ende einer herrschaftlichen Idylle

Ein Mann, ein Dorf, ein Buch