Vielleicht wird – wenn irgendwann einmal die Geschichte des Berger Gemeinderats zu Zeiten des Rathausbaus geschrieben werden wird – die Sitzung vom 14. Juli 2020 als eine historische Sitzung gelten. “Ich danke Ihnen allen für die sachliche und faire Diskussion” sagte Bürgermeister Steigenberger aus vollem Herzen im Anschluß an eine ebensolche. Es war eine eingehende und langwierige Diskussion über ein wichtiges Thema, die doch allein der Neugier, Offenheit und Geduld unseres neuen Bürgermeisters zu danken war. Rupert, wir ziehen den Hut (den wir nie aufhaben!).
Nach der Sitzung: die Gemeinderäte diskutierten vor der Tür der “Post” einfach immer weiter
Nur zwei Punkte umfasste die Tagesordnung: einen möglichen Bebauungsplan für das “bedrohte” Gebiet zwischen Kapellenweg und Sonnenweg in Oberberg, wo schon wieder massivste Bebauung droht, und die mögliche Zertifizierung des Berger Rathauses durch die “Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen”. Darum ging die Diskussion!
Zur Erinnerung: Der alte Gemeinderat hatte (allerdings ohne eingehend darüber diskutiert zu haben) eine Zertifizierung nach dem “Silber-Standard” dieser – marktwirtschaftlich arbeitenden – Gesellschaft vorgeschrieben. Allerdings ist dieser Standard eher die Mindestanforderung an Gebäude, und es stellte sich heraus, dass die Zertifizierung 6-stellige Beträge kosten würde, die Bau- und Planungskosten deutlich wachsen könnten und am Ende nicht sichergestellt sei, ob man wirklich ein Zertifikat bekäme, das dann obendrein nichts außer “einer Plakette an der Tür” bringen würde. Nicht einmal die gewünschte Nachhaltigkeit.
Alle Parteien und Räte waren sich einig, dass nachhaltiges Bauen die höchste Maxime des Projektes sein müsse. Ob es dazu eigens ein teures Zertifikat brauche oder das Wissen der Planer, Gewerke und ortseigenen Handwerker nicht ausreichen würde (oder sogar viel tiefer gehe), darum entspann sich etwas, was es im Berger Gemeinderat seit den Windrädern nicht mehr gegeben hatte: eine mehr als einstündige, interessante und kundige Diskussion. Schön, dass es so etwas noch gibt.
Die Recherchen der Räte waren umfangreich gewesen: Harald Kalinke hatte mit den Architekten geredet, die Grünen einen allgemeinen Videotelefontermin mit der Architektenkammer organisiert, Jonas Goercke bezweifelte auf Grund von alledem den wirtschaftlichen Nutzen und warnte vor einer “Fehlinvestition in Papierkram“, Andy Ammer hatte die Ausbildung der Auditoren für eine solche Zertifizierung in Erfahrung gebracht. Werner Streitberger mahnte in einem leidenschaftlichen Plädoyer an, dass man schon vernünftig gesunde Häuser nach bestem Wissen, Gewissen und Kontostand bauen konnte, bevor das Wort “Nachhaltigkeit” erfunden wurde, und dass er sich auch sicher sein, dass der aktuelle Rat dies machen werde und dafür keine Plakette brauche.
Es ist das Verdienst von Bürgermeister Rupert Steigenberger, eine solche offene und faire Diskussion zugelassen zu haben. Er selbst war zwar für die Zertifizierung gewesen, aber, wie er bekannte, mit einem “mulmigen Gefühl”. Dankbar hörte er sich die Argumente aller Räte an. Es gab ungeahnte Allianzen zwischen EUW und QUH, zwischen CSU und BG. Am Ende standen die Grünen und Sissi Fuchsenberger sowie der Bürgermeister allein da mit der Befürwortung der Begutachtung. Nach der historischen Diskussion (in der auch manches Ratsmitglied seine Meinung änderte) stimmte der Rat mit 5 gegen 15 Stimmen gegen die Zertifizierung. Der Weg dahin war ein Sieg für gelebte Demokratie.
Beseelt von der gemeinsamen Leistung tranken dann Rat und Verwaltung sogar noch ein Getränk im Biergarten der “Post”, was da gesprochen wurde, bleibt natürlich – wie sich das gehört – im Biergarten der “Post”. Den Rest der Sitzung erfahren Sie morgen hier.