“Eine der schönsten und architektonisch bedeutsamsten Villen am Starnberger See …”

Eine der schönsten und architektonisch bedeutsamsten Villen am Starnberger See ist durch eine unverträgliche Wucherung weitgehend entwertet“, so heißt es erschüttert in dem Standardwerk “Frühe Villen und Landhäuser am Starnberger See” von Gerhard Schober. Gemeint ist natürlich die Kempfenhauser “Villa de Osa”, eine neubarocke Villa, der man ihre späte Bauzeit (sie stammt von 1909) nicht ansieht. Das Schmuckstück wurde einst von funktionaler Klinikarchitektur zerstört. Wer hätte allerdings gedacht, dass man der architektonischen Verschandelung der Villa durch die Argirov-Klinik (später Schön-Klinik) noch einmal hinterher weinen würde? – Am Dienstag wird es wohl soweit sein, wenn der Gemeinderat den neuen Bebauungsplan für das brachliegende Grundstück genehmigen sollte.

Von der pompösen Witwenvilla (Osa, 1909) zur Kulisse eines Mordes (1951) über die CSU-Klinik (Argirov, 1980) zum schnöden Spekulationsobjekt  (Ex-Schön-Klinik, 2018): die Villa de Osa

Am Dienstag wird der Berger Gemeinderat womöglich dem Abriss der Klinik samt einem Neubau von fünf fünfeckigen Dreiparteienhäusern, die statt ihrer entstehen werden, zustimmen. Ein Bebauungsplan, der sich weitgehend nach den Wünschen des Investors richtet, liegt dem Rat zur Abstimmung vor. Zur Erinnerung:

Der von der Gemeinde 2018  aufgestellte Bebauungsplanentwurf für die “Villa de Osa”. Grün die 5 neuen Pentaeder, handschriftlich schraffiert die bisherigen,zurückhaltenden  Krankenhausgebäude

Im Januar 2018 stimmte der Berger Gemeinderat mit zwei Gegenstimmen (von QUH und Grünen) für die Aufstellung eines Bebauungsplanes, der am Dienstag vorgestellt werden wird. Der damals vorgelegte, eher gigantomanische Vorentwurf wurde gegenüber den Wünschen des Bauträgers, einer österreichischen Luxusgüterfirma, noch als Erfolg gefeiert. Begründung: Er reduziere die neue Bebauung auf zwei Stockwerke, die Villa werde “freigestell” und der Bauraum sogar geringfügig verringert (von derzeit 1647qm auf damals 1590qm). Vgl. den QUH-Bericht zu der Gemeinderatssitzung hier: https://quh-berg.de/krankenhaeuser-zu-luxusimmobilien-die-2-sitzung-des-gemeinderates/. Fast nichts davon ist mehr wahr.

Derzeitig “ducken” sich die Klinikbauten noch vor der Villa und halten respektvoll Abstand. Die neuen Häuser werden so hoch wie das Dach und reichen bis an die Straße heran

Selbst die geringen “Errungenschaften” sind mit dem neuen Bebauungsplan dahin: Die eh schon dichte Bebauung auf dem Grundstück wurde gegenüber dem genehmigten Bebauungsplanentwurf nochmals um über 15% auf 1833qm erweitert, Eine Wandhöhe von talseits 9m erlaubt dort eine Dreigeschossigkeit (plus Dachterrasse). Zum Vergleich: Die Höhe der bisher alles weit überragende Kuppel der “Villa de Osa” beträgt 9,23m.

Update und eine gute Nachricht: Die Erweiterung der Grundfläche um 15 % findet nicht statt – die Zahl beruht auf einem Schreibfehler, der sich in den Plan eingeschlichen hatte. Bis zur morgigen Sitzung wird es in den Unterlagen korrigiert.

Vor 10 Jahren feierte man zum 100 jährigen Jubiläum der denkmalgeschützten Villa  in der Schön-Klinik noch den “herrschaftlichen außerordentlich feingliedrigen Bau, welcher barockes Raumgefühl mit französischer Eleganz vereint”.

Jetzt läßt man alle Zurückhaltung gegenüber der alten Villa fahren: Bis knapp an den Straßenrand werden 2 große Häuser den Blick auf sie weiter verstellen. Die Baukörper werden noch größer als jetzt schon. Das Bauvolumen wird – mit Gutheißen der Gemeinde – noch einmal erweitert. Die neuen Häuser werden höher als die jetzigen Klinikbauten!

All das kommt zu dem eigentlichen Skandal noch hinzu, der darin besteht, das auf einem architektonisch bedeutsamen Areal erst aus “sozialen Gründen” (Klinikbau) ein massives Baurecht gegen alle Vernunft geschaffen wurde, dann die soziale Nutzung des Grundstücks vom Investor plötzlich eingestellt und stattdessen noch größere Luxuswohnungen entstehen werden.

Ein Bebauungsplan kann natürlich auch gekippt werden: Gegen den unten stehenden Bebauungsplan von 2009 (vom Gemeinderat gegen die Stimmen der QUH beschlossen) wurde erfolgreich von einer Anwohnerin geklagt: Daraufhin entschloss sich der Besitzer lieber mit Wohnungen für Reiche als mit Betten für Kranke Geld zu verdienen.

Weiß: der unzulässige Erweiterungsbau für die Klinik (vom Gemeinderat genehmigt 2009)

Mit etwas Schönem fing es 1909 an: der alte Bauplan zur Villa de Osa 

Einiges über die historische Entwicklung von Reichtum und Verbrechen im Kempfenhausen findet sich im Blog auch hier: /?p=1735/