Die Geschichte vom Punk in Berg

Thomas Gottschalk hatte per Radio an diesem Wochenende persönlich dazu aufgerufen, doch mal “raus aufs Land zu fahren”. Und so pilgerten zwischen dem 16. und dem 18. September 1983 wirklich Menschenmassen nach Berg. Die Veranstalter, darunter Philipp Pröttel und Harald “Boller” Kalinke (heute beide QUH) hatten es wirklich geschafft, unter dem unverfänglichen Titel “Rock im Bierzelt” an einem der schönsten Plätze der Gemeinde bei Sibichhausen ein 3-tägiges Musik-Festival zu organisieren, das in die Musikgeschichte nicht nur unseres Dorfes eingehen sollte.


Sibichhausen: 3 Tage lang im September 1983 der Nabel deutscher Musik

Anders als heute, wo zu solchen Anlässen drittklassige Coverbands AC/DC und Donna Summer covern und zum Schluss Robbie Williams’ “Angels” grölen, hatte man es geschafft, damals wirklich angesagte Bands aus der ganzen Republik zu buchen und nach Berg zu locken.


Erster Tag “Neue Deutsche Welle”, zweiter Tag “Weltmusik” (von den Veranstaltern “Hippie-Tag” genannt)

Los ging es mit der damals hippen “Neuen Deutschen Welle”. Headliner waren die “United Balls”, die mit “Pogo in Togo” gerade einen Hit hatten, der heute noch auf Partys läuft. In der Vorband “IDB” (Innerdeutsche Beziehungen”) sang auch die Bergerin Ute Moschko. An den Trommeln Jürgen Tonkel aus Hearoa (dazu später). Die Veranstalter erinnern sich: „Gott sei Dank hatten wir die Idee, alle potentiellen Unruhestifter, samt eines Rockerclubs aus Starnberg, zu Ordnern zu machen. Bezahlt wurde mit Freibier. Dieser Coup führte zu einer friedlichen Veranstaltung mit vielen angetrunkenen Ordnern.


Pogo in Sibichhausen statt in Togo

Ein wahrhaft einmaliges Erlebnis hatte an dem Wochenende der heute als Schauspieler bekannte Jürgen Tonkel. Er erzählt: “Das 3-tägige Festival „Rock im Bierzelt“ war für mich etwas ganz Besonderes, weil ich an zwei der drei Abende mit meinen damaligen Bands (den „Innerdeutschen Beziehungen“ und „A+P“) auf der Bühne stand und weil ich Teil der Gruppe war, die das Spektakel organisierte. Die „Innerdeutschen Beziehungen“ traten am „Neue Deutsche Welle“-Tag auf und spielten eines ihrer besten Konzerte in einem dampfenden, zum Bersten vollen Bierzelt. Höhepunkt war der Auftritt der „United Balls“ mit ihrem Riesenhit „Pogo in Togo“, der den meisten Deutschen „Ü 40“ noch ein Begriff sein dürfte. An diesem Tag wagten auch meine Eltern zum ersten und einzigen Mal den Weg in eines meiner Konzerte (was sich durch die kurze „Anreise“ aus Höhenrain anbot), und fanden bestätigt, was sie immer schon befürchteten: dass ich ein „ziemlich wilder Hund“ war!

Nach dem Erfolg mit der “NDW” kam es am abschließenden Punk-Sonntag zum Eklat: Als Top-Act hatten die Veranstalter es geschafft, die “Strassenjungs” zu engagieren, die schon im Vorprogramm von “The Clash” gespielt hatten, deren Lieder (“Ich brauch mehr Suff”) aber damals teilweise auf dem Index standen. Allerdings sorgten weder sie noch die “Local Heroes” von “A&P” (vgl.: /?p=2893/ ) für den Skandal, sondern die aus der Schweiz angereisten Anheizer von der Band “Verlorene Jugend”. Diese hatten nicht nur eigene Texte vertont, sondern in Sibichhausen auch den damals allgemein als Mordaufruf an FJS verstandenen RAF-Reim “Ponto, Buback, Schleyer, der nächste ist ein Bayer” zu Gehör gebracht.

Dazu noch einmal Harald Kalinke, damals mit grünen Haaren, heute einer der größten Unternehmer von Berg: “Zu einem Skandal kam es noch nach der Veranstaltung, denn bei einer Grenzkontrolle wurden dem Sänger der Schweizer Band “Verdorbene Jugend” die Liedtexte konfisziert und für nicht gesetzeskonform eingestuft. Nur dank der juristischen Überzeugungskraft unseres heutigen 2. Bürgermeisters Karl Brunnhuber kamen die Berger Organisatoren ohne Strafe davon. Der Sänger selbst bekam eine Geldstrafe und durfte mehrere Jahre nicht mehr nach Deutschland einreisen.

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Kommentieren (5)

  1. quh
    12. Dezember 2013 um 13:17

    Haarfarbe Nicht eindeutig mehr zu verifizieren sind die damaligen Haarfarben der Protagonisten. Dr. Pröttel behauptet, Herr Kalinke habe damals keine “grünen”, sondern “blaue Haare” gehabt, während er selbst “gelb” getragen habe (oder war es doch umgekehrt?).

  2. QUH-Gast
    12. Dezember 2013 um 14:41

    Was ist mit dem Bullenring in der Nase von Boller. Stimmt das und stammt daher der Spitzname?

    • quh
      12. Dezember 2013 um 16:46

      Bollers Antwort “Wäre eine schöne Geschichte, aber der Name Boller kommt vom Fußball spielen.”

  3. QUH-Gast
    12. Dezember 2013 um 22:03

    Und heute? … sind die Coolen von damals — für Windkraft, um die Gemeinde für die Zukunft zu wappnen. Da kommt selbst der Kuh das Gras wieder hoch.

  4. QUH-Gast
    12. Dezember 2013 um 22:34

    Coole Bürger Folgen wie die Lemminge den vermeintlichen WKA-Heilsbringern.
    Das wird eine “schöne Bescherung”.