Und plötzlich geht alles sehr schnell: Letzte Woche klang alles, was mit Geothermie zu tun hatte, nach einer Zukunftsvision. Diese Woche klingeln die Gesandten multinationaler Firmen schon an unseren Türen. Sie werden bereits in kurzer Zeit beginnen, auf unseren eigenen Äckern und Wiesen Messungen vorzunehmen. Sie erklären: “Wir wollen hier in der Gegend ein Kraftwerk errichten!”, und das Geld und die halbe Genehmigung dazu haben sie schon in der Tasche.
Weil der Bürgermeister auf Nachfrage der Berger Landwirte geantwortet haben soll, “Das Thema interessiert mich nicht”, griff der Bauernverband gestern zur Selbsthilfe. Landwirt Huber Schorsch vom Graserhof hatte seine Kollegen und die Vertreter der Fa. “Erdwärme Bayern” (siehe den untenstehenden Bericht) an einen Tisch und ins voll besetzte Veranstaltungszimmer des “Müller’s auf der Lüften” in Farchach geladen. Es wurde ein hochinteressanter, hoch brisanter Abend.
Heiko Wilhelm (stehend rechts) von “Erdwärme Bayern” erklärt rund 30 zunächst erbosten Berger Landwirten die Geothermie und sein Vorhaben
Man werde im August im Gemeindegebiet mit den Messungen beginnen, wofür gut 30 Tage lang 20 t schwere Spezial-Fahrzeuge mit Impulsgebern durch das Messgebiet fahren würden (Karte siehe unten). Dazu bräuchte man Geophone (eine Art Mikrophon für Erdtöne). Sie sind mit kilometerlangen Kabeln verbunden und werden in 50 – 120 m Abstand in die Erde gesteckt. Mitarbeiter der Firma IPS sind bereits seit einiger Zeit in der Gemeinde unterwegs und kümmern sich um den Zutritt zu den Äckern und Wiesen (Info-Telefon 0162-9687513). Weil in der Gemeinde Berg die Bevölkerung über das Vorhaben nicht vorab informiert wurde, kam der Besuch der Herren von der Geothermie, die garantieren, für alle eventuellen Schäden die Haftung zu übernehmen, allerdings meist überraschend. Die Berger Grundbesitzer und -pächter fühlten sich nicht ohne Grund überrumpelt.
Dann sprach Heiko Wilhelm über die Geothermie im Allgemeinen, für die es in Oberbayern auf Grund der geologischen Besonderheiten im Voralpenraum einzigartige Möglichkeiten gibt. Unter uns liegt ein energetischer Schatz. Ab 400 m Tiefe gehört ein Bodenschatz allerdings nicht mehr dem Grundstückseigentümer. Er ist ein sogenannter “bergfreier Bodenschatz”. Um den zu fördern, müsse man eine Genehmigung vom Staat einholen, diese besitze im Moment für Teile von Berg seine Firma.
In ca. 4 km Tiefe fließt unter uns ein Schatz: 135 Grad warmes Wasser (Ausriss aus dem Infofaltblatt der “Erdwärme Bayern”)
Die Schatzsucher sind also unter uns: Sie suchen regenerative Energie und wissen auch, wie man an sie herankommt. In Weilheim, wo man ebenfalls die Schürfrechte besitzt, werde schon bald gebohrt. In 2 Jahren womöglich auch bei uns, irgendwo zwischen hier und Wolfratshausen.
Die Firma “Erdwärme Bayern” sei eine Tochter des Unternehmens “GEO Global Energy” (Vgl.: http://www.geogloballlc.com ), einer privaten Investitionsfirma, die nach eigenen Angaben an der Entwicklung gut der Hälfte aller Geothermieanlagen weltweit beteiligt war und hinter der eine staatliche neuseeländische Stromfirma steht (“Mighty River Power”).
Die Firma besitzt momentan im Berg/Icking und halb Wolfratshausen die Schürfrechte an dem “bergfreien Bodenschatz” thermische Energie und ist entschlossen, sie zu nutzen. Nach den Messungen im Sommer rechne man mit 5 Monaten Datenauswertung, danach werde ein Bohrplatz gesucht, dessen Genehmigung erfahrungsgemäß ein Jahr dauere … ein weiteres Jahr dauere die ca. 10 Millionen € teure Bohrung, deren positives Ergebnis nicht garantiert werden könne. Auch deshalb sei es in Deutschland – anders als im Geothermie erprobten Neuseeland – schwerer, Investoren zu finden.
Der Initiator des Abends, Schorsch Huber, wies noch einmal darauf hin, dass er sich erkundigt habe: Bei dem Projekt in Weilheim, das von derselben Investitionsfirma initiiert wurden ist, hat es bislang keinerlei Probleme gegeben. Dort wird das Kraftwerk für Weilheim, das sich spröde zeigte, in der Nachbargemeinde Wielenbach gebaut.
Interessant: Das Messgebiet “Claim Höhenrain” umfasst gut 100 qkm (grün umrandet), der eigentliche “Claim”, wo die Fa. “Erdwärme Bayern” evtl. fördern darf (rot umrandet), ist viel kleiner. Beide beinhalten große Teile von Berg
Die Geothermiefirma ist nach bisherigen Erkenntnissen vor allem an dem Areal im Süden ihres “Claims” (in der Karte rot umrandet) interessiert. Da Fernwärmeprojekte selbst im Ballungsraum Wolfratshausen schwer zu realisieren sind, setzt man hauptsächlich auf die ökologische, CO2-freie Stromgewinnung (Wirkungsgrad ca 7%). Die Berger Landwirte hätten die Messungen, denen sie – wie allgemein der Geothermie – überwiegend positiv gegenüberstanden, gerne auf die vegetationsfreie Zeit ab November geschoben, was allerdings unmöglich ist: Die weltweit einzigartigen Messfahrzeuge sind bereits für September gebucht. Die Kabel werden über die Äcker gelegt, die Landwirte angeblich großzügig entschädigt. Am Ende erhob sich Unmut allein in Richtung des Bürgermeisteramts, das an dem Projekt – anders als an der Windenergie – nicht im Geringsten interessiert ist und vor allem die betroffenen Berger Bürger in völliger Unkenntnis über die Entwicklung ließ. Selbst das Wort “Sauerei” fiel.
Ähnliche Projekte werden die Gemeinde übrigens noch länger und über die Grenzen hinaus beschäftigen: Die Schürfrechte für den Claim nördlich des Ortsteils Berg (z.B. Kempfenhausen, Manthal) hat eine andere, die isländische Firma “Geysir Europe” erworben. Ihr Vorhaben wurde am Montag im Starnberger Stadtrat vorgestellt. “Geysir Europe” will nächstes Jahr möglicherweise in der Gegend von Percha bereits Probebohrungen unternehmen. Starnberg überlegt, ob man der Firma eine Kooperation anbietet und wird darüber auf einer Sondersitzung am 30.7. beraten. In Berg wurde die nächste GR-Sitzung mangels Themen bereits abgesagt.
In der Presse spricht man bereits von “Goldgräberstimmung”: http://www.merkur-online.de/lokales/wolfratshausen/goldgraeberstimmung-suedbayern-2354934.html