Zurückziehende Nachrichten: Drohendes Unheil für die Berger Kulturszene?

An die große Glocke hat er es nicht gehängt … und doch wirkt der für den November 2015 angekündigte Rückzug des Chefs des Berger Kulturvereins Joachim Kaske jetzt schon wie ein lähmender Paukenschlag für die Berger Kulturszene.


Will sich in Zukunft mehr auf die Insel zurückziehen: Jokl Kaske, noch Berger Kulturvereinsvorsitzender

Denn Jokl hat nicht nur klar gemacht, dass er nächstes Jahr nicht mehr als Vorsitzender antreten wird, sondern dass er sich nach 7 Jahren zähen Ringens um das Publikum als Veranstalter ab sofort “programmatisch” zurückzieht. Insbesondere die von ihm persönlich initiierten Kulturveranstaltungen, darunter die “Marstall Classics” und die “PEN-Autoren-Lesungen” werden schon dieses Jahr eingestellt. “Es ist die nüchterne, konsequente Kapitulation vor dem Desinteresse der Betroffenen“, so Kaske.

Die “Marstall Classics” mit Sebastian Hess hatten nach über 20 hochklassigen Konzerten erst unlängst ihr 5-jähriges Bestehen gefeiert /?p=738/ . Sie hatten nach schönen Anfangserfolgen mit sinkenden Zuschauerzahlen zu kämpfen. Das trotzdem stets beseelte Publikum dieser sehr persönlichen Konzerte kam allerdings überwiegend aus Starnberg und München angereist.


Rechts im Hintergrund: Sebastian Hess aus Kempfenhausen (mit dem Theoreben Virtuosen Axel Wolf bei einem umjubelten Konzert von 2011)

Die PEN-Autoren-Lesungen unter engagierter Moderation von Johanno Strasser hatten trotz der regelmäßigen persönlichen Anwesenheit internationaler Autoren hingegen schon von Anfang an nur mit übersichtlichen Besucherzahlen zu kämpfen. Die Einnahmen konnten die Honorare nicht decken, sodass beides ohne weitere Sponsoren nicht hätte stattfinden können. Wieder Jokl: “Warum etwas sponsern, das keiner besucht?


Johanno Strasser, Ex-PEN-Vorsitzender und Berger Ex-Lesungsmoderator

Selbst Stars scheiterten in Berg: Legendär schlecht besucht war der Auftritt des “Alien Ensembles”, das im BR als “CD der Woche” gefeiert wurde, hymnische Besprechungen einheimste, aber unwesentlich mehr Besucher nach Kempfenhausen lockte, als Musiker auf der Bühne standen, sagenhafte 5 Zuhörer und 3 Journalisten! ( /?p=1337/ ).

Triumphe feierten hingegen überregional populäre Namen wie Sepp Bierbichler in der Post ( /?p=3510/ ) oder Konstantin Wecker oder Georg Ringsgwandl im Marstall. Solche Highlights des Kulturlebens (Brustmann/Sägebrecht in Aufkirchen; Achternbusch-Werkschau im Marstall) könnten in Zukunft in Berg rarer werden … oder gar ganz ausfallen.

Bei seiner Kandidatur für den Berger Gemeinderat hatte Jokl noch geschrieben: “Der Kulturverein Berg und seine Weiterentwicklung mit anspruchsvollen Kunstausstellungen, Konzerten und Lesungen sind eine wichtige Aufgabe für mich, weil man damit vor Ort – neben der sonst so dominanten Pflege des Brauchtums – einen Akzent setzen kann, der die wichtige Balance unterschiedlicher Vorstellungen von Kultur wahrt.” Damit scheint jetzt leider erst einmal Schluss.

Jokl hat vorgeschlagen, dass künftig drei Teams, je eines für Kunst, Literatur und Musik, den Staffelstab für das Programm im Kulturverein übernehmen. Für die großen Jahresausstellungen der ca. 50 bildenden Künstler im Marstall hat sich bereits ein Team gefunden. Auch die stets gut besuchten Philosophievorträge und das “Kunstwerk des Monats” laufen ungebremst weiter. Kaske steht bis zum Ende seiner Amtszeit im November dieses Jahres mit Rat jederzeit gerne zur Verfügung, den Rest machen jedoch ab sofort die jeweiligen Teams … so sie sich denn finden.

Natürlich wird Jokl nicht von der Kultur lassen: Seinen Vorsitz bei SeeJazz und dem jährlichen Festival mit 5 Konzerten rund um den See wird er angesichts ausverkaufter Konzerte beibehalten. In Planung ist auch ein Festival bzw. eine Konzertreihe für Neue Musik im Schloss Kempfenhausen. Seinen Posten als Kulturbeauftragter des Berger Gemeinderats wird er weiterhin mit der ihm eigenen Energie gerne wahrnehmen.

Kommentieren (5)

  1. oskar maria graf
    13. Januar 2015 um 10:38

    Das gefällt mir gar nicht: einer der effektivsten QUH-ler wirft das Handtuch? Die Kulturarbeit war immer eine der größten Errungenschaften der QUH, die damit die große Welt in unser kleines Dorf brachte. Wird jetzt doch das Feld der “sonst so dominanten Pflege des Brauchtums” überlassen? – Klar, dass sich die “Classics” und der “PEN” etwas todgelaufen hatten. Neue Aktionen braucht das Dorf! Hoffentlich fällt Jokl und der QUH bald etwas Neues ein. – Oder man besinnt sich auf das Alte: Was ist eigentlich aus dem alten Plan mit dem Kunstkubus geworden? Hätte der nicht neben dem neuen Rathaus Platz? – Wäre doch besser als ein Schießstand.

    • ehrentellerl
      13. Januar 2015 um 17:19

      Totgelaufen ?? Ich denke nicht. Die Inhalte und Standards waren nicht das Problem, sondern das Phlegma des Ostufers. Einige Programme waren für dreistellige Ticketpreise auch z.B. in Salzburg oder in München zu hören, also warum nicht hier als cooles Projekt, etwas an die Heimat zurückzugeben ? Never mind.

  2. Klaener
    13. Januar 2015 um 16:26

    Sehr sehr schade Es war ja schon abzusehen, aber doch ist die Nachricht vom Ende der Marstall Classics ein herber Schlag.

    Nahezu alle Konzerte habe ich besucht und war jedes einzelne Mal begeistert von der Qualität der Darbietung, der Auswahl der Stücke und dem lockeren Moderationsstil von Sebastian Hess. Allerdings war ich ebenso jedes einzelne Mal überrascht, wie wenige Zuhörer sich zu diesem außergewöhnlichen Kunstgenuss einfinden.

    Die Berger bevorzugen es wohl, sich hinter hohen Hecken zu verschanzen und in privat zu machen.

    Schade, es war auch ein Stück gelebtes Gemeinschaftsgefühl in der Gemeinde.

    Danke an Jokl Kaske und Sebastian Hess sowie an die Künstler.

    • ehrentellerl
      13. Januar 2015 um 17:08

      Game over… Und Herzlichen Dank an Jokl & Daggi. Wie schade. aber verständlich. Vielleicht erhebt sich der Phoenix irgendwann noch einmal aus der Asche. Ich bin hier tief verwurzelt, und zur Stelle 🙂 Die Webadresse http://www.marstallclassics.de habe ich jedenfalls noch nicht gelöscht. Sebastian.

    • ammer
      13. Januar 2015 um 17:19

      Danke danke danke Nehmen wir es positiv und hoffen, dass nur Platz und Kraft für etwas Neues geschaffen werden mußte. Ideen (und auch Geld) gibt es in der Gemeinde doch genug. Künstler ebenso; ein Großdank an diese, an alle Gäste und vor allem an die unermüdlichen Organisatoren Sebastian und Johanno, die ihre internationalen Verbindungen haben spielen lassen, um ihre Kollegen ans Ostufer zu locken. Sie haben das vom ewigen Dämmerschlaf bedrohte Berg über die letzten 6 Jahre für Abende zu einem Zentrum des Geistes und des Wohlklangs gemacht.