Links der Bürgermeister – rechts Esoterik. Das “Ortsporträt Gemeinde Berg”

Am Freitag erschien in der Starnberger SZ eine doppelseitige Großanzeige mit der hochtrabenden Überschrift “Ortsporträt Gemeinde Berg”.


Einige örtliche Betriebe und Handwerker waren angesprochen worden: zu relativ günstigen Preisen konnten sie Anzeigen schalten, der Bürgermeister (“Liebe Leserinnen, liebe Leser”) schrieb ein Grußwort, in dem er jeden bittet, “ortsansässige Betriebe bei Einkäufen und Auftragsvergaben zu berücksichtigen”. – Alles wunderbar!

Große Verwunderung muß allerdings angesichts der – namentlich nicht gezeichneten – pseudoredaktionellen Texte auf der Anzeigenseite angemeldet werden. Im Artikel “Auf dem Weg in die Zukunft” werden die politischen Großprojekte “Betreutes Wohnen”, “MTV Berg Nord”, “Ortsdurchfahrt Bachhausen” und “Gewerbefläche Höhenrain” halboffiziell und mit vielen Bürgermeisterzitaten vorgestellt. Werbung in eigener Sache. – Wenn es sein muß: ok!

Man erfährt, wieviele Wohnungen es im “Betreuten Wohnen” geben wird und dass dem Gemeinderat beim MTV-Trainingsplatz “die umweltverträgliche Gestaltung des Areals mit viel Grün” wichtig sei (wissen das die Gemeinderäte?). – Ob sich für das brachliegende Gewerbegebiet in Höhenrain jetzt viele Firmen melden werden, nachdem das Gelände mit den Worten angepriesen wurde, dass die Gemeinde neben der Autobahn Betriebe wünscht, “von denen nicht zu große Immissionen durch Lärm, Abgase oder Lieferverkehr ausgehen”, mag dahingestellt sein.

Ganz haarsträubend sind die anderen “Artikel”, die typische Betriebe unserer Gemeinde vorstellen:


Höhenrain, hier wird im Juni ein “Trachtenstüberl” entstehen.

Angepriesen wird im pseudoredaktionellen Teil der Anzeige keiner unserer tollen und typischen Fischer, Malermeister oder Metzger, nicht der alteingesessene “Radl-Sepp”, der neue Buchladen (sie alle haben Anzeigen geschaltet) oder der schicke neue “Hunter’s Hill”, sondern halbseitig ein Höhenrainer “Trachtenstüberl”, das sich leider noch monatelang in der Bauphase befindet. Weiterhin: eine Naturheilpraxis ohne Adresse, aber mit falscher Namensnennung (Theda, nicht Thea!) und eine Praxis, die eine ausführlich beschriebene “craniosacrale Therapie” zur Heilung bei ‘”Migräne, chronischer Sinusitis, Zahn- und Kieferschmerzen” anbietet. (“Kinder & Erwachsene / Hausbesuche und Fernheilungen”).

Ein kleiner QUH-Tip: Die Ausbildung zur “Craniosacral-Therapeutin” kann jeder machen. Die komplette Ausbildung gibt es ab 250€ und ist in 2 Tagen abgeschlossen; vgl. hier einen Artikel der SZ.

Nein, ich fühle mich durch dieses “Ortsportrait” nicht nur nicht getroffen, ich halte es für gefährlich. Als ordentlicher Handwerker, der jahrelang gelernt hat, einen Fisch zu fangen, eine Wand zu streichen, eine elektrische Leitung zu legen oder ein Stück Fleisch zu zerlegen, würde ich mich ausgenützt fühlen, wenn mit dem Geld meiner Anzeige eine esoterische Praxis mit Fernheilungen als ortstypisch portraitiert wird. Als Lokalpolitiker fühle ich mich verhöhnt, wenn ernsthafte Projekte (z.B. “Betreutes Wohnen”) gleichrangig mit zweifelhaften Therapietechniken (“An- und Abschwellen des Gehirnwassers”) beschrieben wird.


Mit Esoterik für Berg werben! Wer hat gezahlt?

Wir als Gemeinderäte haben keine Kenntnis davon, inwiefern die “Gemeinde Berg” diese kommerzielle Anzeige finanziell unterstützt hat. Zumindest hat die Gemeinde für das “Ortsporträt” nicht nur das bürgermeisterliche Grußwort und Sachinformationen, sondern auch Bilder zur Verfügung gestellt. Zu diesen finden sich idiotisch banale Bildunterschriften. Zur Wallfahrtskirche Aufkirchen heißt es: “in Berg wartet man sehnsüchtig auf den Frühling”. Die Votivkapelle sei “Treffpunkt der Anhänger von König Ludwig II” und zu einem Foto vom Höhenrainer Trachtenumzug heißt es: “Die Pflege von Brauchtum und Tradition hat in Berg einen großen Stellenwert”. – Ich hätte nie gedacht, dass ich in der Karikatur einer oberbayrischen Trachtlergemeinde mit esoterischen Neigungen königstreu auf den Frühling warte. – Und wer war eigentlich Oskar Maria Graf?

Kommentieren (3)

  1. Hirte
    29. März 2009 um 19:37

    Chapeau… … Herr Vorsitzender!
    Wenn auch schwere Geschütze im Artikel aufgefahren werden, treffen Sie doch den Punkt.
    Der Gipfel ist tatsächlich das Anpreisen des Gewerbegebietes “Höhenrain Ost – Am hohen Rand” für das die SZ Doppelseite wohl den endgültigen Dolchstoss bedeuten dürfte.
    Mit der Aussage, man wünsche sich Gewerbetreibende, die man nicht riecht oder hört und die bei ihren Geschäften doch bitte keinen Lieferverkehr benötigen würden, hat man wahrscheinlich auch noch die letzten Interessenten vertrieben.
    Es stellt sich die Frage, ob die Investitionen, die dort am Rande der Gemeinde gemacht worden sind, tatsächlich vorher vernünftig durchdacht wurden und auch auf Bedarf hin überprüft worden sind – den Anschein macht es nicht!

  2. christl36
    7. April 2009 um 9:59

    Verschiedene Richtigstellungen Hallo Andi Ammer, darf ich Sie so anreden, denn so haben Sie sich bei mir vorgestellt!
    Ohne auf Ihre polemischen Ausführungen einzugehen, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Sie, ohne die Eigentümerin des Trachtenstüberls zu fragen, fotografiert haben, sie haben das Geschäft nicht von innen gesehen, der redaktionelle Beitrag wurde über eine Anzeige (auf der linken Seite des Ortsportraits) bezahlt. Zum “monatelangen Umbau”: Auch eingesessene Geschäfte, wie z. B. derzeit Boodevar Wolfratshausen haben “Umbaumaß- nahmen”- das Geschäft muss trotzdem laufen.

    Theda Sebald heißt im übrigen wirklich so – und auch sie hat eine bezahlte Anzeige – MIT ADRESSE in Allmanshausen – auf der linken Seite des Ortsportraits.
    Wer lesen kann ist klar im Vorteil, Herr Ammer – in jedem Fall tragen Sie persönlich nicht gerade dazu bei, Wähler für die QUH zu binden. Nicht indem, Sie seit langem ansässige Bürger angreifen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, persönlich ins Gespräch zu kommen. Dies wäre es, was von einem Politiker zu erwarten ist. Sie , indess, sollten sich einfach in Ihren schönen Porsche setzen und darüber nachdenken, was Sie besser machen sollten!

    • ammer
      8. April 2009 um 20:11

      Richtigstellung verschiedener Richtigstellungen Liebe Christl36,

      danke für ihre Richtigstellung. Es tut mir sehr leid, dass Sie offensichtlich meinen Artikel falsch verstanden haben. Für ihren Trachtenladen wünsche ich Ihnen natürlich alles nur erdenklich Gute, und wenn das Stüberl offen ist, sagen Sie einfach Bescheid! Wie Sie auf unserer Seite sehen können, stellen wir gerne – und natürlich ohne, dass irgendjemand dafür etwas bezahlt – Geschäfte aus der Gemeinde ausführlich vor (allein in diesem Monat schon 3 Neueröffnungen). Wahrscheinlich haben sie bei uns sogar mehr Leser als in Anzeigeblättern.

      Die Polemik in meinem Artikel war in keinster Weise gegen ihren Laden gerichtet! Im Gegenteil, ich bin froh, dass in Berg so ein Geschäft eröffnet und gerade aus den Reihen der QUH gab es schon die eine oder andere Stimme, die gerne bei ihnen Stoffe kaufen wird. Kritisch sehe ich allerdings weiterhin die halbredaktionelle Berichterstattung auf der SZ-Seite. Der Name Theda wird dort tatsächlich falsch geschreiben, dass Theda wirklich Theda heißt, weiß ich selbst.

      Denn ich würde mich an ihrer Stelle als seriöse Geschäftsfrau darüber ärgern, wenn mein Geschäft in einem Zuge mit zweifelhaften “Fernheilungs-Methoden” beworben wird. so seriös, wie Sie sich mir vorstellten, denke ich, dass sie wirkliche Stoffe verkaufen und nicht des Kaisers neue Kleider.

      Ich hoffe, einige Mißverständnisse ausgeräumt zu haben, wünsche Ihnen frohe Ostern und – wie gesagt – witerhin einen guten Start für ihr neues Stüberl.

      Ihr
      – jeder nennt mich hier so –
      Andy Ammer

      PS:
      Eine Bemerkung, weil sie meine Journalistenehre betrifft: Es gibt kein “Recht am Bild am eigenen Haus”. Von öffentlichen Wegen darf ich fotographieren und veröffentlichen, was ich will. Und die Bildunterschrift weist nur auf ihr Geschäft hin.