“… und droben sing ich weiter” – Fred Bertelmann ist tot

Wir sind uns fast sicher, es gab – so wie in dem Lied, das sein Leben verändert hat – “keine Stunde, die er je bereute”. Fred Bertelmann, ein lieber Freund und großer Sänger, auch wenn er “nur” Schlager sang, ist Mittwoch vormittag im Alter von 88 Jahren in Berg gestorben.


Fred Bertelmann 2012 beim Eintrag ins goldene Buch der Gemeinde Berg

Der folgenreichste Tag im Leben des Wahl-Bergers Fred Bertelmann war womöglich der 9. Juli 1957. An diesem Tag nahm Fred in einem Kölner Studio mit einem “Tonorchester ohne Namen” eine deutsche Version des Songs “Gambler’s Guitar” eines gewissen Jim Lowe auf. Er lachte dabei laut und herzlich. Der Song, der ursprünglich davon handelte, das das Leben ein Pokerspiel sei (“Tell all the folks that this life’s a game of poker”), war zuvor in den USA ein mittelmäßiger Hit gewesen. Zu dieser Melodie war dem deutschen Schlagerkomponisten Peter Moesser in seinem Italien-Urlaub allerdings ein ganz anderer Text eingefallen, der von Capri und Tina, Spanien und Wein handelte und in der Zeile “es gibt keine Stunde, die ich je bereute” gipfelte.


Ein Stück Vinyl verändert ein Leben

Das Lied passte perfekt ins urlaubsselige Wirtschaftswunderland Deutschland, das gerade einige Jahre seiner Geschichte vergessen wollte. Und der musikalisch hochbegabte Fred Bertelmann sang den Song mit voller Stimme und im Brustton der Überzeugung: “Meine Welt ist bunt, ich bin ein Vagabund”.


Lange die erfolgreichste deutsche Schallplatte aller Zeiten: Fred Bertelmanns “Lachender Vagabund”

Verbunden mit Freds wunderbarem Baritonlachen wurde “Der lachende Vagabund” zur meistverkauften deutschen Single der Nachkriegszeit. Bertelmanns Version des Liedes verkaufte sich 3,5 Millionen mal, viel öfter als das amerikanische Original. Selbst in die USA wurden von der deutschen Fassung 300.000 Stück ausgeliefert. Fred wurde sogar in die US-Fernsehshow von Dean Martin eingeladen. Aus Fred Bertelmann, der damals schon in Berg wohnte, war für alle Zeiten “Der lachende Vagabund” geworden.


Der Kino-Film zum Mega-Hit: Fred Bertelmann als Darsteller seiner Single

Ironischerweise war Fred nie wirklich jener Schlagerfuzzi gewesen, den er ab da lebenslang und in in 16 Filmen darstellen musste. Eigentlich hatte ihn schon früh der Swing interessiert. In Kriegsgefangenschaft in Alabama hatte er im Camp sein erstes Orchester gegründet. Später war er in Deutschland mit dieser Musik durch amerikanische Clubs getingelt. Und 1961 trat er in Chicago an der Oper in dem Musicals “Showboat” auf (“Ol’ Man River”). Ironischerweise als “Neger” auf, mit schwarzer Creme im Gesicht.. Er mußte immmer als erster zum Schminken, wie Fred im Berger Oskar Maria Graf-Stüberl am Stammtisch immer wieder gern erzählte.

Ich war noch nicht geboren, als Fred seine größten Erfolge hatte, hatte also nicht mitbekommen, wie es angeblich schulfrei gab, weil die Premiere des Filmes “Der lachende Vagabund” anstand. Ich hatte die Vagabunden-Single im Plattenschrank meiner Eltern gefunden und unter all den nichtssagenden Platten, die es dort gab, war es die einzige gewesen, die mir gefallen hatte … es lag am fast anarchistischen Lachen. Bis zum Jahr 2005. Doch als die Münchner Staatsoper bei mir und dem Kempfenhauser Cellisten Sebastian Hess eine moderne Version der Barockoper “Dido und Aeneas” von Henry Purcell in Auftrag gegeben hatte und ich nach einer originellen Besetzung suchte, dachte ich bei der Figur des vagabundierenden Halbgottes Aeneas, der die arme Königstochter Dido verführt, komischerweise sofort an Fred … und rief ihn, den damals schon 80-jährigen, an, ob er sich mit mir auf ein Bier im Graf-Stüberl treffen würde. Und ob er sich vorstellen könne, in einer modernen Oper als jugendlicher Liebhaber aufzutreten? – Ja, konnte er.


Fred Bertelmann als Halbgott Aeneas auf der Probebühne der Bayerischen Staatsoper

Ich stellte mir vor, das Fred nicht als kleiner Opern-, sondern als großer Schlagersänger unsere Dido verführen sollte: zu den Klängen seines Vagabundenliedes … (“selbst für die Fürsten soll’s den grauen Alltag geben”) und vielleicht könnte er ja noch “My Way” singen? “Aber nur in der deutschen Version!” insistierte Fred sofort, denn die bekannte amerikanische Fassung sei nur eine üble Verhunzung des französischen Originals. Und als er, der 80-jährige, dann einige Monate später auf der Bühne des Prinzregententheaters stand und mit einer Stimme, die aus einem anderen, einem jungen Körper kommen musste, lauthals “So leb dein Leben” sang, standen den Mitwirkenden bei jeder Aufführung wieder die Tränen der Rührung in den Augen.


Einer großer Theater-Moment: Auf der Probenbühne mit Fred Bertelmann

Fred, der schon dabei war, als deutsche Fernsehsender zum ersten Mal auf Sendung gingen, hatte seitdem nicht aufgehört zu singen. Noch vor drei Jahren brachte er eine neue CD heraus …
… und im vorletzten Jahr durfte sich der Träger des Bundensverdienstkreuzes auch ins Goldene Buch der Gemeinde Berg eintragen.

Die Worte, mit denen er sich dort “verewigte”, lassen erahnen, das Fred sich schon mit seiner Zukunft beschäftigte. Sie lauten: “Ich habe die Musik und droben sing ich weiter.”

DAS BERGER BLATT wird aus diesem Anlass in seiner morgigen Ausgabe eine Sonderbeilage bringen.