Langsam kommen wir uns vor wie die Österreicher, die überall in der Weltgeschichte nur Österreicher am Werk sehen: Letzte Woche jedenfalls gastierte in der Münchner Muffathalle die Berliner Avantgare-Band “Einstürzende Neubauten”. Und, was sollen wir sagen? Der Schlagzeuger dieser international vielleicht einflussreichsten aller deutschen Bands ist ein waschechter Bachhauser namens Rudi Moser. Allerdings ist Rudi auf seine Heimat nicht besonders stolz. Als stolzer Wahlberliner verheimlicht er gern seine bajuwarische Herkunft. Deshalb wurde er bei seinem “Heimspiel von Blixa Bargeld, dem Sänger der Band, auch als “Der Moser Rudi aus Flensburg” vorgestellt.
Die “Einstürzenden Neubauten” in der Muffathalle. In der Mitte, hinter Blixa Bargeld, der Bachhauser Rudolph Moser am Schlagzeug.
Mich verbindet mit dem “schönen Rudi” eine schöne Anekdote: Als er vor gut 10 Jahren meinen Freund FM Einheit als Schlagzeuger bei den “Einstürzenden Neubauten” ablöste, lernte ich Rudi in einem Berliner Café kennen. Ich selbst war vor ein paar Jahren nach Berg gezogen und betrachtete es als ein großes Glück, es geschafft zu haben, aus der Großstadt hinaus aufs Land und an den See gezogen zu sein. Ich fand mich hier in Berg geradezu befreit. Als ich Rudi das in dem Berliner Cafe erzählte, meint er, ihm ginge es genau umgekehrt: Sein größtes Glück sei es, dem furchtbaren Landleben und all seiner Enge entronnen zu sein. Er habe es nach Berlin “geschafft”. Er komme aus einem furchtbaren Dorf, in dem er sich als Jugendlicher nicht wohlgefühlt habe und in dem er immer Außenseiter gewesen sei. Gut eine Stunde diskutierten wir immer leidenschaftlicher die Vor- und Nachteile des Stadt- und Landlebens, bis ich Rudi in dem Berliner Café endlich fragte, wo er denn herkomme. Er meinte, das Dorf würde ich sicher nicht kennen, es sei liege weit im Süden unten in der Gegend des Starnberger Sees in der Gemeinde Berg, geboren sei er in Bachhausen, er habe aber dann länger in einem Dorf namens Leoni gewohnt.
Wir hatten eine Stunde lang – ohne es zu wissen – über das gleiche Dorf gestritten! Für ihn war es die Hölle, der er entkommen war, für mich das Paradies, in das ich mich flüchten konnte.
Lernen lässt sich aus dieser Anekdote, dass man es als künstlerisch veranlagter Jugendlicher durchaus schwer hat bei uns. Es gibt weder Treffpunkte für Jugendliche, noch Auftrittsmöglichkeiten oder Proberäume für Bands, nur Fußball, Biertrinken, höchstens noch Tennis und Maibaumbewachen. Dabei gibt es offensichtlich Menschen, die, obwohl sie begabt sind, hier in der Gemeinde keinen Fuß auf den Boden bekommen, draußen in der Welt eine internationale Karriere hinkriegen. Heute spielt Rudi soweit ich weiß in Athen.
Die “Einstürzenden Neubauten” spielen “Nagorny Karabach”