Lotta und Jonny

Es ist eine Geschichte wie aus einem Märchen oder zumindest aus Büllerbü … allerdings spielt sie in Percha: 2018 erfüllt sich  sich Lotta Lubkoll in einer Lebenskrise einen Traum und macht sich ganz allein mit einem Esel auf, um von Berg bis ans Mittelmehr zu wandern. Und am Ende hat Lotta nicht nur das Meer erreicht, sondern ist mit ihrer Geschichte berühmt geworden und steht mit ihrem Buch auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Lotta, Jonny und ihr gemeinsamer Bestseller: “Wandern, Glück und lange Ohren”

QUH: Lotta, erst mal herzliche Gratulation, dass dein Buch „Wandern, Glück und lange Ohren“ gleich nach der ersten Woche auf der Spiegel Bestsellerliste gelandet und mittlerweile auf Platz vier geklettert ist. Das ist ein Megaerfolg! In dem Buch beschreibst du, wie du in 80 Tagen im Jahr 2018 mit deinem Esel Jonny von Berg/ Percha bis ans Mittelmeer gewandert bist. Wie kam das denn?
Lotta Lubkoll: Ich habe als Kind den Film „Shrek“ geschaut. Dabei ist der beste Kumpel von dem grünen Oger Shrek ein Esel. Seitdem habe ich ebenfalls von so einem Kumpel geträumt, diesen Traum nur noch sehr lange auf sich warten lassen. Es gab immer wieder einen neuen Grund, ihn noch nicht umzusetzen. Kein Geld, keine Zeit, keinen Platz… Erst als mein Papa an Krebs erkrankte und kurz darauf starb, wurde mir klar, dass ich einen so lange gehegten Traum besser nicht weiter auf später verschieben sollte. Mein Papa konnte seinen Lebenstraum, in Rente mit einem Traktor und einem Zirkuswagen das Mittelmeer zu umrunden, leider nicht mehr umsetzen. Aber ich hatte die Möglichkeit, wenn ich es wirklich wollte. Jetzt oder nie, beschloss ich, und mein Abenteuer mit Jonny begann.
Wandern wollte ich, weil ich ein sehr quirliger Mensch bin, der selten stillsitzen kann. Ich spürte, wie gut mir die Ruhe in der Natur tat, als ich unter dem Baum meines Papas im Friedwald saß. Alles musste heutzutage höher, schneller und weiter sein. Ich wollte das Gegenteil lernen. Langsamkeit und Minimalismus. Und obwohl ich noch nie zuvor für mehrere Tage am Stück wandern und noch nie in den Alpen war, sind Jonny und ich einfach losgezogen.

So verwirklicht man Träume: “Wir sind einfach losgezogen.”

QUH: Ihr lebt ja seit 2019 in der Gemeinde Berg – war Jonny zuerst da oder du? Wie hat es dich hierher verschlagen?
Lotta Lubkoll: Jonny lebt bereits seit 2017 in Berg. Im Herbst 2017 habe ich ihn gekauft und er durfte auf den Esel- und Pferdehof, den ich über eine Anzeige bei ebay-Kleinanzeigen gefunden habe, bei anderen Eseln einziehen. Die Anzeige lautete: „Suche Einstellplatz für einen Esel, den ich mir noch kaufen werde.“ Jetzt lebt Jonny dort in einer tollen Herde.
Ich bin in Coburg geboren und in einem kleinen 200-Seelen-Dorf bei Würzburg/Schweinfurt aufgewachsen. Das Abitur in Münsterschwarzach habe ich damals nur durchgezogen, weil ich unbedingt auf eine Schauspielschule wollte. Diese Ausbildung zur Schauspielerin hat mich 2014 nach München gebracht.
Erst nach Jonnys und meiner gemeinsamen Reise nach Italien wurde 2019 auf dem Hof überraschend eine kleine Einzimmerwohnung frei – und mal ehrlich: Gibt es einen schöneren Ort zum leben? Ein Aussiedlerhof am Ostufer vom Starnberger See mit Pferden, Eseln, Hühnern, Hunden, wunderbaren Menschen und das Allerwichtige: gemeinsam mit Jonny.

QUH: Du hast ja eigentlich eine Schauspielausbildung – wie kamst du zum Schreiben?
Lotta Lubkoll: Das Schreiben war, wie auch die Schauspielerei, schon immer ein Kindheitstraum von mir. Ich kann mich noch erinnern, als wir in der vierten Klasse eine zweiseitige Phantasiegeschichte schreiben sollten. Ich habe fast zehn Seiten zu Papier gebracht. Auf unserer Reise wurde die Italienische Zeitung auf uns aufmerksam. Anschließend auch die Süddeutsche. In einem Interview erwähnte ich, dass Jonny und ich so viel erlebt haben, dass ich ein Buch darüber schreiben könnte – und schwupps hatte ich Anfragen von interessierten Verlagen in ganz Deutschland. Entschieden habe ich mich für den Malik/Piper Verlag in München, da mich eine befreundete Autorin, Carmen Rohrbach, dort empfahl. Das Schreiben erfüllt mich so sehr, dass ich nichts lieber machen würde! Ich möchte noch ganz viele Bücher schreiben! Und wenn mal ein Schauspieljob um die Ecke schaut, freue ich mich natürlich.

Zusammen über die Alpen: Lotta und Jonny bei der morgendlichen Begrüßung 

QUH: Gerade lebst du aber nicht von der Schauspielerei, sondern du bietest am Starnberger See Kinderprogramme an.  Erzähl mal – für welche Altersgruppen ist das und was machst du da genau?
Lotta Lubkoll: Die Schauspielerei ist nicht mehr meine einzige Leidenschaft, denn neben dem Schreiben habe ich die Begeisterung für die Natur entdeckt. Als ausgebildete Erlebnispädagogin leite ich nun Ferienfreizeiten hier in Berg/Kempfenhausen und in München. Die Kids und ich verbringen als die „wilde Waldbande“ die ganze Woche gemeinsam in der Natur und erkunden die Wälder. Wir bauen ein Waldlager/Tipi, schnitzen, sägen, bauen ein Floß, unternehmen spannende Abenteuerspiele, lernen dabei über unsere Natur und die Pflanzen und Tiere des Waldes, und an einem Tag darf Esel Jonny natürlich auch dabei sein. Ich schaffe einen guten Mix aus spielerischem Lernen, Spaß und Aktion im Wald, kreativem Werken mit Naturmaterialien und bei gutem Wetter natürlich mit Staudammbau und erfrischendem Wasserspaß.
Mir geht es darum, den Bezug zur Natur zu stärken, sie kennen und lieben zu lernen, den ganzen Tag an der frischen Luft zu verbringen und dabei den Kindern eine super Zeit in einer tollen Gruppe zu ermöglichen.
Das wird bisher spitze angenommen, und alle sechs- bis zwölfjährigen Kids sind herzlich willkommen, sich unter machteuchschmutzig.de für die nächsten Schulferien anzumelden.

QUH: Hast du damit deine Lieblingsbeschäftigung zum Broterwerb gemacht oder möchtest du wieder deine Schauspielkarriere vorantreiben?
Lotta Lubkoll: Ehrlich gesagt könnte ich gerade nicht glücklicher sein. Mein erstes Buch wird gerne gelesen, und ich habe mit dem Schreiben und Dia-Vorträgen zum Buch sowie mit meiner wilden Waldbande so viel Spaß an der Arbeit, dass ich völlig erfüllt bin. Aber wie gesagt: Sollte aber ein interessanter Schauspieljob um die Ecke schauen, freue ich mich natürlich auch. Am liebsten würde ich aber eines Tages mein Buch verfilmen lassen.

Von der Schauspielerin zur Bestsellerautorin (und wieder zurück?)

QUH:  Was war dein schönstes Erlebnis auf der Wanderung nach Italien? Und das schlimmste?
Lotta Lubkoll: Kurz bevor wir am Meer angekommen sind und unsere Wanderung ein Ende finden würde, hielt ein Auto am Wegrand neben uns. Ein Mann stieg aus und ging langsam auf uns zu. Vorsichtig kam er mir näher, lächelte und umarmte mich. Zuerst wusste ich nicht so genau, ob ich das jetzt zulassen könne, doch es fühlte sich richtig an und ich erwiderte die Umarmung. So standen wir eine ganze Zeit lang Arm in Arm am Wegesrand, Jonny graste und wir sprachen kein Wort. Nachdem sich die Umarmung gelöst hatte, verschwand der Mann, wieder ohne ein Wort zu sagen. Zurück blieben Jonny und ich. Ich fragte mich, was das gerade gewesen sei, und plötzlich kamen mir wie aus dem Nichts die Tränen.
Die Umarmung hatte sich vom Bauchumfang her so angefühlt wie damals, als ich als Kind meinen Papa umarmte. Ich stellte mir vor, dass mein Papa uns begleitet hatte, vielleicht als Schutzengel, und mir diese Umarmung schickte, um zu sagen: Lottchen, ich bin stolz auf dich. Du hast deinen Traum in die Tat umgesetzt und ihr habt es bis ans Meer geschafft. Jetzt seid ihr angekommen.
So habe ich diese Begegnung einfach gedeutet, denn mein Papa war immer mal wieder anwesend auf unserem Weg.

On the Road: Einer trage des anderen Last

Lotta Lubkoll: Außerdem hat es mich überrascht und immer wieder so glücklich gemacht, wie sehr wir die Menschen mit unserer Anwesenheit erfreuen konnten. Einmal haben wir eine Nacht in einem Garten einer Familie verbracht, und im Nachhinein bekam ich eine E-Mail von dem Sohn des Hauses. Er bedankte sich so herzlich, dass wir dort gewesen seien, und schrieb, dass er seinen Papa schon so lange nicht mehr so glücklich und so viel lachen gesehen hatte wie an dem Abend, als wir da waren.
Das Schlimmste war vermutlich, dass ich ab und an richtig Angst in der Dunkelheit hatte, denn nachdem ich meinen Papa gepflegt habe, litt ich an einer Art Angststörung. Diese versuchte ich auf der Wanderung zu bekämpfen, und deshalb zählt auch diese Erfahrung eher zu einer der schönsten, denn es hat prima geklappt.
Obwohl wir wirklich viele Abenteuer erlebt haben, ist uns nie etwas wirklich Schlimmes passiert. Sonst würde das Buch vermutlich „Wandern, Pech und lange Ohren“ heißen. Wir hatten wirklich unfassbares Glück und bestimmt auch einen ganz tollen Schutzengel.
Was mir noch ganz wichtig ist zu erwähnen, dass ich Jonny als gleichwertigen Wanderbegleiter dabei haben wollte. Ich habe mich vorher erkundigt, wie viel Gewicht Esel tragen können, ohne später Probleme mit dem Rücken zu bekommen. 20% des eigenen Körpfergewichts sind völlig in Ordnung. Damit es auch fair war, trug ich selbst ebenfalls 20% meines Körpergewichts. Auch sonst waren wir auf einer Augenhöhe unterwegs. Mal musste ich auf Jonny warten, mal er auf mich. Mit der Zeit wurden wir ein unschlagbares Team, und ich kann mir kein Leben mehr ohne meinen Jonny vorstellen.
Wir sind jeden Tag losgelaufen, ohne zu wissen wie weit wir heute kommen, wie der Weg verläuft, welchen Menschen wir begegnen, wo wir etwas zu essen oder Wasser finden und wo wir übernachten würden. Trotzdem hat es immer geklappt. Diese Erfahrung, dass schon alles klappt und seinen Weg findet, habe ich mit nach Hause genommen, und sie prägt noch immer sehr mein Leben.


Am Ziel und glücklich: Lotta Lubkoll und Jonny bei Chioggia am Mittelmeer 

80 Tage waren Lotta und Jonny unterwegs. 46 Tage davon sind sie gewandert. Insgesamt 600 km. Mehr über Jonny, die Reise und gemeinsame Ferienfreizeiten finden Sie im Netz unter: https://www.eseljonny.de