Johano Strasser über Sarrazin in Tutzing

Letzten Samstag in Tutzing: Der politische Club der Evangelischen Akademie Tutzing (Leitung: Hans Eichel, ehem. Finanzminister) lud den umstrittenen Autor und ehemaligen Bundesbankpräsidenten Thilo Sarrazin zur Frühjahrstagung. Das Thema: Gehört der Islam zu Deutschland? Während Eichels Einladung in der Öffentlichkeit nicht unkritisch gesehen wurde – man verschaffe Sarrazin dadurch ein öffentliches Podium, zudem gehe es bei Veranstaltungen zuweilen sehr turbulent zu -, so hatte der Berger Politologe, Autor und P.E.N.-Präsident Johano Strasser, der ebenfalls auf das Podium geladen wurde, keinerlei Berührungsängste. Wir stellten ihm Fragen dazu.


Johano Strasser, P.E.N.-Präsident aus Assenhausen und Sarrazin-Kritiker (nur echt mit rotem Schal)

QUH: Vorgestern trafst du in der Evangelischen Akademie in Tutzing auf deinen ehemaligen Genossen Thilo Sarrazin. Bist du ihm früher schon einmal begegnet? Was ist er für ein Mensch?
Johano Strasser: Ich kenne Thilo Sarrazin seit dem Jahr 1973. Damals war ich Mitglied einer Kommission der SPD, die einen Orientierungsrahmen 85, also eine Art Langzeitprogramm erarbeiten sollte. Er gehörte zum Stab der Mitarbeiter. Ich habe ihn immer als eher zurückhaltend, ein wenig bürokratisch, aber nicht besonders politisch profiliert erlebt. Ich glaube auch, dass er sich schwer tat, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Seine neueste Entwicklung hat mich überrascht.

QUH: Thilo Sarrazin behauptet oft, er würde falsch verstanden, man habe sein Buch nicht richtig gelesen. Wie abwegig sind seine Thesen wirklich?
Johano Strasser: Schichtzugehörigkeit ist für Sarrazin vor allem eine Frage der vererbten Intelligenz. Sarrazin ist allen Ernstes der Meinung, dass die „guten“ Gene sich zwangsläufig in den oberen Schichten sammeln und die „schlechten“ in den unteren. Die Zukunft der Gesellschaft hängt nach ihm also davon ab, ob die Richtigen, nämlich die oben, mehr Kinder bekommen als die unten. Also schlägt er vor, jungen Akademikerinnen pro Kind von Staats wegen 50 000 Euro zu geben. Und im gleichen Atemzug die Kinderzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger zu kürzen bzw. zu streichen. Denn die da unten sind sowieso verloren, unnütz, ein reines Zuschussgeschäft. Besonders, wenn sie Migranten aus islamischen Ländern sind.

Sarrazin zitiert in diesem Zusammenhang Darwin, der sich wiederum auf den Begründer der Eugenik, Francis Galton, bezieht. Darwin/Galton und mit ihnen Sarrazin bezeichnen es als Tatsache, „dass die Besitzlosen und Leichtsinnigen, die häufig genug noch durch Laster aller Art hinabgezogen werden, fast ausnahmslos früh heiraten, während die Sorgsamen und Mäßigen, welche meist auch in anderen Beziehungen gewissenhaft leben, in vorgeschrittenem Alter heiraten, um mit ihren Kindern ohne Sorgen leben zu können… So neigen also die leichtsinnigen, heruntergekommenen und lasterhaften Glieder der Menschheit dazu, sich schneller zu vermehren als die gewissenhaften, pflichtbewußten Menschen.“ Der viktorianische Klassendünkel der besseren Gesellschaft wird uns hier als wissenschaftliche Tatsache aufgetischt.

Die Belege: S. 9 in Sarrazins Buch: „daß Menschen unterschiedlich sind, – nämlich intellektuell mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger, mehr oder weniger moralisch gefestigt – und dass noch so viel Bildung und Chancengleichheit daran nichts ändert.“ S. 175: „Für einen großen Teil dieser Kinder (der – zum großen Teil islamischen – Unterschicht) ist der Misserfolg mit der Geburt bereits besiegelt: Sie erben gemäß den Mendelschen Gesetzen die intellektuelle Ausstattung ihrer Eltern und werden durch deren Bildungsferne und generelle Grunddisposition benachteiligt.

QUH: Das Thema der Diskussion war, ob der Islam zu Deutschland gehört – wie siehst du das persönlich? Glaubst du, die sozialen Probleme haben religiöse Ursachen?
Johano Strasser: Jeder, der sich mit den Problemen in den sozialen Brennpunkten unserer Städte auskennt, weiß, dass es in erster Linie soziale Probleme sind. Auch die vielfältigen Benachteiligungen und Freiheitsbeschränkungen für Frauen, die wir bei manchen islamischen Migranten beobachten können, sind nicht in erster Linie auf „den Islam“ (den es nicht gibt) zurückzuführen, sondern auf die traditionale Kultur der aus dem anatolischen Bergland eingewanderten Türken. Islamische Einwanderer aus den Bildungsschichten des Iran oder auch aus städtischen Regionen der Türkei haben eine ganz andere Haltung zur Stellung der Frau. Wer wie Sarrazin „die Muslime“ zwangskollektiviert, betreibt das Geschäft der Mullahs und der Islamisten.
QUH: Vielen Dank!

Kommentieren (1)

  1. Freund von H.
    25. März 2011 um 16:49

    Hat Herr Strasser wirklich recht? Erst heute habe Vormittag habe ich das Interview mit Herrn Strasser gelesen. Eigentlich wollte ich mich gleich melden, aber da ich im Gegensatz zu ihm kein Islamexperte bin und auch den Koran noch nicht gelesen habe, habe ich es sein lassen.
    Aber folgende Zeilen aus meiner neuen “Heimatzeitung” will ich Herrn Strasser und dem Quh-Blog nicht vorenhalten:

    Die Rolle der Frauen in der ländlichen türkischen Gesellschaft im Allgemeinen und die der Mädchen im Besonderen führte Sonja Fatma auf traditionelle Strukturen zurück, die allersdings nicht alleine in dem Islam zu finden seien. “Die gehen lange in vorchristliche und vorislamischen Zeiten zurück.” Dennoch sieht die Autorin und Gründerin der Stiftung “Hennamond” die Ursachen für Probleme, die heute sowohl in der türkischen als auch in der deutschen Gesellschaft aufträten, im Koran. Soweit die Türkisch-stämmige Schriftstellerin Sonja Fatma Bläser heute im Herborner Tageblatt.
    Gute, fundierte Informationen über Koran, Islam erhält man beim Institut für Islamfragen, welches von Prof. Christine Schirrmacher geleitet wird. Einfach mal anklicken:www.islaminstitut.de
    Wenn die Quh mit der Islamexpertin mal ein Interview führen will, kann ich gerne den Kontakt herstellen.