Mit viel Herz hat sich Iradj Teymurian dem Aufbau der Asylarbeit in Berg und der Organisation des Helferkreises Asyl und Integration gewidmet – und genau dieses Herz macht ihm jetzt zu schaffen. In seinen Gesprächen mit Helferinnen und Helfern hat er immer wieder gepredigt, dass Privatleben und Gesundheit nicht unter der Freiwilligenarbeit leiden dürfen. Nun muss er sich auf Anraten seines Arztes selbst daran halten.
Iradj Teymurian: “Ich bereue nichts- null!”
Iradj Teymurian wurde 1946 in Teheran geboren. Sein gutes Abitur ermöglichte es ihm, 1964 nach Deutschland zu gehen. 1975 machte er an der Universität Aachen seinen Abschluss als Diplomingenieur, 1974 bereits hatte er seine Frau Annette geheiratet. Nach dem Diplom gingen die beiden nach Teheran, wo er zunächst als Dozent an der elektrotechnischen Fakultät arbeitete. 1978 kam Chomeini, und die Iranische Revolution begann. Ausgangssperren wurden verhängt. Iradjs Ehefrau und die mittlerweile geborene Tochter kehrten zurück nach Deutschland, Iradj blieb noch sechs Monate im Land und flüchtete dann auch nach Deutschland, wo er eine unbegrenzte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung hatte. Um sich politisch von seinem Herkunftsland zu distanzieren, stellte er im Iran den Antrag, seine Staatsbürgerschaft zurückzugeben. In Deutschland – es verschlug ihn bald nach München und dann in den Landkreis Starnberg – lebte er über zwanzig Jahre als Staatenloser mit einem “Fremdenpass”. Die deutsche Staatsbürgerschaft sei für ihn nie Voraussetzung gewesen, sich heimisch zu fühlen, sagt er im Interview.
Von der Baubranche sattelte er um in die Internetbranche, vor sieben Jahren wurde er pensioniert. Seine Frau nahm das zum Anlass, ihn zu ermuntern, er solle “nicht als Staatenloser sterben”, und so beantragte er die deutsche Staatsbürgerschaft. Trotz seines deutschen Universitätsdiploms musste er den Einbürgerungstest machen – nach sieben Minuten war er fertig: null Fehler.
Iradj Teymurian ist Protestant. Seine Familienangehörigen im Iran sind Sufis und unterscheiden sich von konservativen Muslimen. Er sagt, er wuchs in religiösen Dingen sehr offen und frei auf. 1993 konvertierte er nach intensiver Beschäftigung mit der Bibel und wurde in Starnberg in einem öffentlichen Gottesdienst evangelisch getauft, seit 20 Jahren ist er Mitglied im evangelischen Kirchenvorstand.
Dann kamen 2012 die ersten Geflüchteten in die Gemeinde. Die Bergerin Michaela Luyken, die von Beginn an engagiert war, bat ihn um zunächst um sprachliche Mithilfe: In Höhenrain waren einige Afghanen untergebracht. 2015 wurde dann die Zeltstadt in Berg errichtet. Der Helferkreis wurde ins Leben gerufen, Sprachkurse wurden angeboten, Arztbesuche – alles, nur kein Kleiderlager, das lehnte Iradj Teymurian von Beginn an ab. “Es geht darum, die Leute an die Hand zu nehmen, nicht darum, den Kleiderschrank auszumisten”, sagt er.
Kleider und Schuhe für Männer, Frauen und Kinder
Der Helferkreis organisierte im Aufkirchner Pfarrsaal einen großen Kleidermarkt, bei dem die Flüchtlingsfamilien Kleidung einkaufen konnten. 500 € aus dem Erlös gingen damals sogar als Spende an die Gemeinde Berg.
Die Bürgermedaille in Silber
“Ich habe einmal behauptet, ich bin der ‘meistgehasste’ Helfer im Landkreis”, sagt Iradj mit Bezug auf seine strengen Maßstäbe. Von wegen. Vor zwei Jahren wurde Iradj Teymurian von der Gemeinde Berg mit der Bürgermedaille in Silber ausgezeichnet. Er blieb seit 2012 bei der Arbeit im Helferkreis auch über die Gemeindegrenzen hinaus. Er führte es ein, die Geflüchteten als “Gäste” zu bezeichnen – und nun sagt er: “Ich kann sie gar nicht mehr ‘Gäste’ nennen, ich kann nur ‘Freunde’ sagen”, so eng ist die Beziehung zu einigen geworden.
“Der sichtbare Erfolg beflügelt einen so, dass man die Belastung nicht spürt”, meint er. “Ich habe das nie anders gewollt. Aber ich war 24 Stunden pro Tag in Aktion – das führte zu Bluthochdruck und Herzproblemen.” Nun hat der Arzt einen Schlussstrich gezogen. Iradj Teymurian bezeichnet sich als “sehr, sehr guten Patienten”. Er steht weiterhin für Rat und Hilfe zur Verfügung, aber er möchte nicht mehr in Prozesse eingebunden sein. Allerdings benutzt er immer noch die erste Person Plural, wenn er vom Helferkreis spricht … und das ist irgendwie auch schön so.
Iradj Teymurian geht – aber nicht weit weg
Ein Blick in die Zukunft? “85% der Gäste werden es schaffen, ihr Leben aus eigener Kraft in die Hand zu nehmen. Wir müssen mit ihnen zusammenleben und eine Ghettoisierung verhindern. Das hilft der Integration nicht. Aber in Berg hatten wir sowieso wenig Widerstand aus der Bevölkerung – wir hatten früh die politische Gemeinde hinter uns und einige große anonyme Unterstützer.”
Was macht ihm Sorgen? “Dass zum Beispiel die dezentralen, vom Landratsamt angemieteten Wohnungen aufgelöst werden. Auch der Wind von der AfD macht mir Angst, diese Art zu sprechen darf nicht salonfähig werden. Keine Sorgen mache ich mir aber darüber, dass ich in ein Loch fallen könnte. Erst einmal konzentriert sich alles auf die Gesundheit, ich habe Zeit für die Familie und meine Enkelkinder und bin auch im Wohnzentrum Etztal aktiv.”
Die Arbeit des Helferkreises Asyl und Integration wird in jedem Fall fortgesetzt und neu aufgestellt – wir werden berichten. Iradj Teymurian vertraut auf sein “wunderbares Team”.
Iradj Teymurian hat mit seiner gleichzeitig großherzigen wie rigiden Vorgehensweise die erfolgreiche Arbeit der Helferkreise im Landkreis nachhaltig beeinflusst. Die ganze Gemeinde ist ihm zu großem Dank verpflichtet.