Der Asylhelferkreis Berg sucht dringend neue Mitglieder, die Patenschaften übernehmen möchten. Wie aber sieht so eine Patenschaft aus? Was macht man da genau? Wie viel Zeit muss man investieren?
Die Höhenrainerin Verena Machnik, die schon länger im Helferkreis engagiert ist, erzählt uns von dieser ehrenamtlichen Arbeit und von einer Freundschaft, die daraus entstanden ist.
Freundinnen: Verena und Seran
QUH: Verena, was hast du für eine Rolle im Helferkreis?
Verena Machnik: Ich bin seit gut einem Jahr Mitglied des Asylhelferkreises Berg. Begonnen hat alles mit einer Patenschaft für zwei afghanische Mädchen, die ich gemeinsam mit meiner Schwiegermutter übernommen habe. Inzwischen kümmere ich mich zusammen mit einer Gruppe weiterer Frauen um die Belange aller Kinder und Jugendlicher, die derzeit als Asylsuchende in unserer Gemeinde leben. Das geht von einer mittlerweile täglich stattfindenden Hausaufgabenbetreuung über die Organisation gemeinsamer Freizeitaktivitäten bis zur Nothilfe bei akut auftretenden Problemen aller Art.
Zusammen am – und im – See
QUH: Wie kommen die Kinder hier zurecht?
Verena Machnik: Die Kinder, die zu großen Teilen mittlerweile auch im Kindergarten und in der Grundschule sind, haben im letzten Jahr enorme Fortschritte gemacht. Sie sprechen und verstehen schon ziemlich gut Deutsch – auch untereinander verständigen sich die afghanischen, syrischen und pakistanischen Kinder in unserer Sprache. Sehr viele von ihnen haben im Sommer dank der unermüdlichen Unterstützung ihrer Paten und anderer im Helferkreis engagierter Menschen sogar ganz gut schwimmen gelernt – im See natürlich! Wir haben das Gefühl, dass sie sich bei uns sehr wohl fühlen! Es wäre schön, wenn vor allem die Grundschulkinder auch mal nachmittags zu Mitschülern eingeladen werden würden.
QUH: Du hast dich mit der jungen Syrerin Seran angefreundet, erzähl doch mal, wie das kam!
Verena Machnik: Über meine Aktivitäten beim Asylhelferkreis habe ich auch Seran kennen und schätzen gelernt. Sie ist im Sommer letzten Jahres mit ihrem Onkel aus Aleppo geflohen, ihre Eltern sind noch dort. Seran, die in Syrien ein Jahr vor dem Abitur stand, möchte Journalistin werden und verfolgt dieses Ziel mit einem bewundernswerten Ehrgeiz. Sie spricht schon sehr gut Deutsch und besucht mittlerweile eine Klasse an der FOS in München, wo sie auch das deutsche Abitur machen möchte. Seran hat so viel Energie und strahlt eine Lebensfreude aus, die ansteckend ist – trotz der täglichen Sorgen um ihre Eltern und ihrer eigenen schrecklichen Erlebnisse in der kriegsgebeutelten Heimat und während ihrer Flucht. Sie ist wirklich ein gute Freundin geworden, von der ich sehr viel gelernt habe. Gemeinsam mit ihr habe ich auch das Facebook-Projekt „LebensLäufe“ ins Leben gerufen – eine Seite, auf der wir die Geschichten von Flüchtlingen erzählen, um den Menschen hinter den in den Medien oft zitierten Zahlen und Begrifflichkeiten wie „Obergrenze“ ein Gesicht und eine Stimme zu geben.
Afghanisches Essen
QUH: Wie sind denn allgemein deine Beziehungen zu den Asylsuchenden?
Verena Machnik: Neben Seran sind mittlerweile einige der Asylsuchenden, die derzeit in Berg leben, zu Freunden geworden. Meine ganze Familie profitiert von der Herzlichkeit, die viele der Frauen, Männer und Kinder uns entgegenbringen – und sehr oft auch von dem sehr guten Essen, das wir bei diesen gastfreundlichen Menschen immer wieder probieren dürfen… Aber nicht nur die Begegnungen mit den Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und trotz der Ungewissheit über ihre Zukunft so viel Positives ausstrahlen, haben mein Leben im letzten Jahr oftmals bereichert. Ich habe sehr viele interessante und nette Menschen aus meiner eigenen Heimat kennengelernt: im Helferkreis engagierte Berger, denen ich vorher bestimmt schon oft beim Einkaufen begegnet bin, ohne wirklich von ihnen Notiz zu nehmen.
QUH: Wie siehst du die Arbeit des Berger Asylhelferkreises?
Verena Machnik: Wenn man bedenkt, wie die Flüchtlinge in Berg seit über einem Jahr bis zum jetzigen Umzug in die Container gelebt haben – bis zu 15 Menschen teilweise unterschiedlicher Herkunft in einem Zelt – ist das dortige Zusammenleben wirklich ziemlich reibungslos abgelaufen. Das liegt meiner Meinung nach auch zu sehr großen Teilen am Asylhelferkreis. Dank der vielen ehrenamtlichen Lehrer können fast alle regelmäßig zu ihren Kenntnissen passende Deutschkurse besuchen – die Fortschritte sind manchmal klein, aber fein, teilweise enorm. Auch mit den Paten wurde natürlich viel Deutsch geübt; aber nicht nur das: Der Arbeitskreis „Arbeit“ konnte einigen Asylsuchenden dabei helfen, erste Jobs zu finden, denen sie sehr gerne nachgehen; der Helferkreis veranstaltete unter anderem sowohl einen „normalen“ als auch einen Fahrrad-Bazar, die Gemeinde Berg und einige Berggipfel wurden gemeinsam zu Fuß erkundet, eine nach Nationalitäten, Geschlechtern und Alter bunt gemischte Gruppe spielt regelmäßig gemeinsam Volleyball, ein großes Gemüsebeet wurde zuerst bepflanzt und später abgeerntet und vieles, vieles mehr. Und auch bei den oft sehr kräfte- und nervenzehrenden Behördenvorgängen wurden die Asylsuchenden so gut es ging von den ehrenamtlichen Helfern unterstützt.
Ich denke, durch diese vielseitigen sozialen Kontakte zu den hier ansässigen Menschen fühlten sich die meisten Asylsuchenden in ihrem ersten Jahr in Deutschland nicht alleingelassen – und konnten dadurch auch die widrigen Lebensbedingungen leichter hinnehmen und besser hier ankommen.
QUH: Und ihr sucht noch neue Paten?
Verena Machnik: Einige der Helfer mussten ihre Tätigkeit im Laufe des letzten Jahres wegen beruflicher oder privater Gründe stark reduzieren oder ganz aufgeben. Damit es so gut weitergeht wie bisher, sucht der Helferkreis deswegen dringend neue Paten! Wir würden gerne wirklich jedem Asylsuchenden einen eigenen Paten zur Seite stellen, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass gerade dieser individuelle, persönliche Kontakt zu den besten Integrationsfortschritten führt. Dabei geht es in natürlich in erster Linie darum, mit dem jeweiligen „Schützling“ Deutsch zu lernen, aber auch die Hilfe durch den typisch deutschen „Behördendschungel“ wird immer wichtiger. Um eine gewinnbringende Patenschaft für beide Seiten zu erreichen, sollte man regelmäßig Zeit dafür haben, zwei bis vier Stunden pro Woche sollte man schon einplanen. Neben Paten werden auch Helfer gesucht, die sich bei organisatorischen Themen mit einbringen – beispielsweise bei der Wohnungssuche für anerkannte Flüchtlinge, die sich bekanntermaßen in unserer Gemeinde äußerst schwierig gestaltet.
Wer Interesse hat, ist herzlich eingeladen, sich bei der großen Helferkreis-Versammlung am Mittwoch, den 09. November 2016 ab 18:30 Uhr in der Post in Aufkirchen ein Bild von der Arbeit des Asylhelferkreises Berg zu machen.
QUH: Welches Fazit würdest du nach einem Jahr ziehen?
Verena Machnik: Wirkliche Integration gelingt meiner Meinung nach nur dann, wenn auch stabile, zwischenmenschliche Beziehungen auf Augenhöhe aufgebaut werden – und davon profitieren alle Beteiligten!
Das letzte Jahr war sehr intensiv, manchmal auch anstrengend (Behördengänge!!!), aber vor allem geprägt von vielen schönen, bereichernden Erlebnissen mit Menschen, die trotz ihrer individuellen schweren Geschichten noch lachen können.
QUH: Vielen Dank, Verena!
Und hier ist noch der Link zu dem Facebook-Projekt “LebensLäufe”: https://www.facebook.com/LebensLäufe-650158878470530/