Josef Brustmann, der Kabarettist, hat ein Buch geschrieben. Es heißt “Jeder ist wer”, und um es gleich zu verraten: Das Buch ist ein kleines Meisterwerk geworden. Dabei gehören – zugegebenermaßen – Erinnerungsbücher von Kabarettisten eigentlich nicht unbedingt zu unserer Lieblingslektüre. “Jeder ist wer” allerdings ist ein Buch, das von der ersten Seite an klar macht, dass es hier nicht um einen Menschen, sondern um den Menschen an sich geht.
Josef Brustmann in jüngeren Jahren bei einem Filmdreh in Wien (Foto: Monika Schuh-Wibmer)
Um diese steile These zu belegen, zitieren wir gerne den kleinen Prolog, mit dem das Buch recht furios beginnt:
Für seinen Arbeitgeber und Mäzen Friedrich Wilhelm III. untersuchte der Wissenschaftler und professionelle Herumtreiber Alexander von Humboldt die Blätter eines Eichenbaumes auch ihrer Form halber. Trotz gewissenhafter, geduldigster Suche gelang es ihm nicht, zwei in Form und Größe identische Blätter an einem einzelnen Baum ausfindig zu machen. So auch wir Blättermenschen an unseren anverwandten Stammbäumen. Jeder von uns, ausnahmslos ein solchermaßen einzigartig beschriebenes Blatt.
Wie unvorstellbar aber, unbegreiflich und verstörend, dass jeder von uns so eigenartigst erschaffenen Menschen trotzdem an seinem Ende untergemäht wird unter gleichförmigstes Todesheu und zurückverwandelt in die allergemeinsten Stäublein, Sandkörner und Erdkrumen. Welch gigantischer Verschwendungsakt der Natur.
Viel von dem, was das Buch so wundersam macht, ist in diesen wenigen Zeilen schon vorhanden. Originelle Geschichten (Humboldt, der “Herumtreiber“, der alle Blätter eines Baumes vergleicht), poetische Bilder (allein das Wort “Todesheu“) und eine melancholisch trotzige Grundstimmung, die vom Persönlichen ins Allgemeine zielt (“Jeder von uns ...”).
Die Flüchtlings-Großfamilie Brustmann 1966 in Waldram
Den Zauber des Buches, das aus vielen kleinen kaleidoskopartig verwobenen Geschichten besteht, liegt darin, dass Brustmann zwar die Geschichte seines Lebens erzählt, aber sich nicht unbedingt ins Zentrum des Buches stellt. Wenn er von seiner Jugend in Föhrenwald erzählt, wird eher die Geschichte dieses Flüchtlingslagers erzählt als seine eigene. Er versenkt sich in Gegenstände wie eine Spielzeug-Blechpistole, den Herd der Mutter oder seine Zither. (“Das Singen zur Zither ist mein ganzes Leben. Wenn ich einmal tot bin, wird es mir sehr fehlen.”)
Eine meiner Lieblingsgeschichten handelt von dem einzigen, stummen Auftritt Josefs in einem Film von Herbert Achternbusch. Nur mit einer Badehose bekleidet, musste Josef einen von Annamirl servierten “Bienenstich” essen, worauf er – wie alle anderen Gäste beim “Bierbichler” – tot zusammenzubrechen hatte. Dann wurde er als Leiche auf einen Haufen zu den anderen von der Biene gestochenen Gästen geworfen. Auftritt Kurt Raab mit dem Satz “Grüß Gott, ich habe Aids!”. Herbert Achtenbusch übt dann allein die nächste Szene, in der er einen Hut in die Luft wirft. (Siehe Seite 54). Welch bitter-schöne Lakonie!
Das Buch hat prominente Fürsprecher gefunden. Michael Krüger, der Berger Großliterat, lobt Josef als “wunderbaren Schriftsteller“. Edgar Selge notiert verdutzt “So etwas habe ich noch nie gelesen”. Johano Strasser erkannte ein “herrlich ergreifendes Lebensschlamassel“. Wir meinen “wundersam, wundervoll, herzzerreißend, bravo“.
Josef Brustmann tritt (mit Zither) am 20.02. im Strandhotel Berg auf
Das Buch hat sich zu einem rechten Erfolg gemausert. Schon zwei Mal hat Josef Brustmann das Münchner Literaturhaus ausverkauft. Und die gute Nachricht ist: Am Dienstag, den 20. Februar, gastiert er auf Einladung des Berger Kulturvereins um 19:30 Uhr zu einer musikalischen Lesung in der Seestube des Strandhotels in Berg. Karten gibt es im Vorverkauf in Dini Kortmanns Buchhandlung “Schöner Lesen”. Kartenvorbestellungen sind möglich unter schad.kulturverein@gmx.de