Auf die Initiative von Stefan Rudolf ist es zurückzuführen, dass sich – fast – jede Woche eine Gruppe von Bergern mit einigen Bewohnern des Containerdorfs in der Schulturnhalle in Aufkirchen trifft, um dort Sport zu treiben – Volleyball, Zirkeltraining, Taekwon Do. Hier ein Bericht von Stefan Rudolf:
Die Volleyballgruppe
Niemand will eine Islamisierung des Abendlandes. Erst recht keiner, der den Quran gelesen hat. Aber jetzt sind sie hier, diese „Flüchtlinge“, wie wir sie nennen. Nicht alles Muslime, wie es ja schon die meisten Türken in unserem Land sind, sondern zum Teil auch Christen aus verschiedenen Ländern. Sie sind hier. Und sie sind vor allem eines: Menschen. Und zwar mit allem, was dazu gehört. Das macht es nicht immer einfach. Nicht nur, dass in unserer eigenen Bevölkerung Ressentiments gepflegt und gegen jeden Faktencheck abgeschirmt werden. Unsere Gäste aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Eritrea, Nigeria sind genauso nette und liebenswerte Leute wie wir, aber auch genau solche Trottel, latente Rassisten und Spießer wie wir.
Mir ist seit Jahren klar, dass Rassismus und Ressentiments dadurch entstehen, dass man Menschen nach Zugehörigkeit und nicht nach sich selbst beurteilt, dass man urteilt, anstatt zu probieren. Daher sehe ich meine Hauptaufgabe als Flüchtlingshelfer ganz pragmatisch darin, uns Berger und die Gäste in Kontakt zu bringen, um Vorbehalte abzubauen, Vorbehalte, die wir Berger gegenüber diesen Neulingen haben, aber auch Vorbehalte, die jene Neulinge untereinander sehr rege hegen und die, auf engstem Raum eingepfercht mit anderen Fremdlingen, teils Gruppen, vor denen man eigentlich hatte fliehen wollen, zu einigen Spannungen führen.
Es gibt kaum bessere Möglichkeiten, solche Barrieren und Vorurteile abzubauen, als miteinander in die Natur zu gehen, miteinander zu kochen und miteinander Sport zu treiben. Dinge wie Bärlauchwanderungen an der Isar oder Kochorgien im Katharina-von-Bora-Haus sind das eine. Bei meinen Sportangeboten konnte ich den MTV mit einbringen, der auch derzeit erwägt, „Stützpunktverein“ für das Sportintegrationsprogramm des DSLV zu werden.
Stefan Rudolf und die Kinder beim Taekwon Do
Zum einen kommen immer wieder mal einige der Gäste ins Taekwon Do und machen dort begeistert mit. Ich hatte allerdings eingangs den Fehler begangen, die Jugendlichen am Camp abzuholen. Die dachten, das wäre normal und kommen, seit sie selber kommen sollen, nur noch sporadisch, nennen mich aber immer noch Taekwon Do statt Stefan. OK. Man lernt.
Anstrengendes Zirkeltraining
Seit März 2016 bieten wir auch Zirkeltraining und Ballsport an. Aber da das Zirkeltraining doch etwas zu sehr für dicke Backen sorgte, Basketball und Fußball zu ruppig wurden, zirkuliert seit Juni 2016 eigentlich vorwiegend der Volleyball. Normalerweise samstags von 13:00 bis 15:00. Das erfordert jede Menge Humor und Geduld und bringt viel Spaß. Hier würde ich mich sehr freuen, wenn noch mehr Berger teilnehmen würden, denn mit der Integration oder der Begegnung ist es nicht so weit her, wenn sich zu allen Veranstaltungen des Helferkreises stets nur Flüchtlinge und Mitglieder des Helferkreises treffen.
Man spricht deutsch statt Urdu, Dari oder Farsi beim Volleyball
Was sichtlich gelingt, ist, die Ressentiments der Flüchtlinge untereinander abzubauen. Nicht nur, dass unsere Volleyballsprache inzwischen Deutsch ist,statt Urdu, Dari oder Farsi. Bei der großen Pflanzaktion, beim Volleyball, davor und danach, scherzen die Jungs untereinander, frotzeln sich an und nehmen sich nicht mehr so sehr als Fremde war. Gerne sehe ich es auch, wenn sie unsere Berger Frauen vorbehaltlos akzeptieren, tacklen, anspielen, sich gemeinsam einspielen.
Wünschenswert wäre es, nach und nach auch die Flüchtlings-Frauen stärker zu beteiligen. Da spielt Sport scheinbar nur bis zur beginnenden Adoleszenz eine Rolle. Wir haben viel Arbeit vor uns. Mit „Wir schaffen das nicht“ werden wir das nicht schaffen. Und wir brauchen eine klare Obergrenze: Für Bigotterie, Vorurteile und Wir-gegen-die-Denken.
Vielen Dank für diesen Beitrag, Stefan Rudolf!