Es geht ums Prinzip: Der Kreisel diese Woche

Die QUH war – anders als der Bürgermeister – nie für die Gestaltung des Kreisels in jener Form, die bis vor Kurzem existiert hat – die QUH-Gemeinderäte hatten sich damals für ein anderes an dem Wettbewerb beteiligtes Kunstwerk ausgesprochen. Trotzdem ist es ein Skandal, dass dieses in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgrund einer einsamen Entscheidung von oben zerstört wurde.


Der vom Gemeinderat (mit der Stimme des Bürgermeisters und gegen die Stimmen der QUH) 2011 beschlossene Entwurf für eine Kreiselgestaltung

Neben der Möglichkeit, eine politische Wahl zu haben, und der Freiheit der Presse ist die Freiheit der Künste eine der wichtigsten Errungenschaften einer Demokratie. Die Kunst genießt den Schutz der Politik – gerade auch gegen Proteste aus der Bevölkerung.

Vor Jahrzehnten gab es in München beispielsweise eine hysterische Diskussion um den Ankauf des Beuys-Kunstwerks “Zeige deine Wunde” und um die Zerstörung einer Beuys-Badewanne durch einen alkoholseligen SPD-Ortsverein, der unwissend darin seine Bierflaschen kühlte. Münchner Bürger liefen damals gegen die Beuys-Kunstwerke Sturm.


Badewanne von Joseph Beuys, 1960 / Lenbachhaus Müchen, Schenkung Lothar Schirmer

Die Politik blieb ungerührt, wie sich das gehört. Die beiden Kunstwerke gehören heute zum Stolz des gerade neu eröffneten Lenbachhauses in München und tragen zu dessen Ruhm als ein weltweit führendes Kunstmuseum bei ( vgl. http://www.lenbachhaus.de/index.php?id=23 ).

Nun ist es sicherlich vermessen, Werke von Joseph Beuys, die inzwischen unbestritten zu den großen Werken des 20. Jahrhunderts gehören, mit einer – auch in diesem Blog – umstrittenen, von gewissen kunstgewerblichen Untiefen nicht freien Gestaltung eines Kreisverkehrs zu vergleichen. Trotzdem: Das Berger Kreisel-Kunstwerk befand sich kunsthistorisch immerhin in einem internationalen Trend, der versucht, wild wuchernde Natur in die Kunst zu integrieren. Das zentrale Kunstwerk der weltweit bedeutendsten Kunstschau “dOCUMENTA” in Kassel bestand im letzten Jahr ebenfalls aus einem runden, wild wucherndem Krauthaufen. Die QUH berichtete darüber hier: /?p=1934/


Elke Link vor “Doing Nothing”, dem zentralen Werk der letztjährigen “dOCUMENTA” in Kassel

Nun hat der Bürgermeister – gegen das ausdrückliche Votum des Gemeinderats, der sich mehrheitlich gegen eine neue Diskussion um den Kreisel ausgesprochen hatte – im Handstreich die Vegetation auf dem Kreisel entfernen lassen. Auf der letzten Bürgerversammlung hatte derselbe Bürgermeister dieselbe Vegetation noch ausdrücklich als “Bestandteil des Kunstwerks” bezeichnet. Dieses Kunstwerk hat er nun von Amts wegen zerstören lassen. Der Applaus der Rabattenfraktion ist ihm gewiss. Die originelle Idee des Werkes, das “Versinken” der rostigen Krone in einem wilden Wuchern von Stauden und Meinungen, ist nun dahin. Übrig bleiben statische Ludwig-Zwo-Anspielungen.

Wie auch immer man zu dem Kunstwerk steht, dessen Spruchband in Royalblau vielen ein Dorn im Auge war: Die plötzliche Radikallösung ist eine vielleicht pragmatische, aber zutiefst undemokratische Entscheidung. Sie zerstört mehr als ein Kunstwerk: Sie fügt sich populistisch der Kritik einer kunstfernen Mehrheit. Sie missachtet ein Votum des Gemeinderats. Die zusätzlichen Kosten sind wohl hauptsächlich durch eine unsachgemäße Pflege der Vegetation erst entstanden. Eine solche einsame Entscheidung des Bürgermeisters gegen seine öffentlich vorgetragenen Äußerungen und gegen demokratisch herbeigeführte Beschlüsse bestätigt Befürchtungen, die an eine dritte Amtszeit des Amtsinhabers geknüpft wurden. Sie lässt für weit wichtigere Entscheidungen, wie sie bezüglich der Windräder anstehen, nicht unbedingt Gutes erwarten. Auch hier lässt die Transparenz zu wünschen übrig.

Und zur Kunst: Die gesamte QUH und die eine Hälfte der CSU hatten 2011 geschlossen einen anderen Entwurf für den Kreisel favorisiert (siehe den Beschluss: /?p=2733/ ). Trotzdem haben wir natürlich die Mehrheitsentscheidung stets mitgetragen.

Kommentieren (8)

  1. gast
    27. Juni 2013 um 18:09

    Das Fähnlein im Wind Hat der Monnarch nicht erst vor kurzem Herrn Seehofer vorgeworfen, populistischen Strömungen wie ein Fähnlein im Wind zu folgen? Schreibt Herrn Monn doch auch einen Brandbrief mit Ultimatum!

  2. QUH-Gast
    27. Juni 2013 um 23:44

    oder auch nicht vielleicht geht es garnicht ums Prinzip sondern um Sinn und Geschmack.

    Sinn: am liebsten hätte ich nicht nur die Planierung der Bepflanzung sondern die Planierung des Kreisels als solchem.

    Geschmack: Spruchband und Krone waren ok, die Bepflanzung war mutig und deshalb etwas Besonderes; völlig unabhängig von Beuys und Documenta. Ein Statement einer kleinen Gemeinde.

    Na ja, weg ist weg. Herr Monn hat sich hemdsärmelig für ein weißes harmloses Kiesbett am Rande und eine Überraschung in der Mitte entschieden. Hoffen wir mal auf eine positive Überrraschung.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  3. gartenhausbewohner
    28. Juni 2013 um 9:54

    Grundsatz Wieso kann der Bürgermeister darüber hinweg entscheiden, und Geld für etwas ausgeben, was der Gemeinderat gemeinsam anders beschlossen hat?

    Unabhängig davon ist mein persönlicher Alptraum, dass jetzt die typischen, langweiligen Allerweltsblumen auf dem Kreisel eingesetzt werden. Die wilde Bepflanzung stand im schönen Kontrast zu der hässlichen Krone und dem völlig überzeichnet kitschigen Spruchband.

    Dann warten wir jetzt mal auf die Waschbeton-Blumengondeln mit Veilchen in schwarzem Torfsubstrat.

  4. Stroller
    28. Juni 2013 um 13:06

    Wie wär’s denn mal mit “ökologisch”? Immer geht es nur um die Optik und wie sich die Gemeinde damit nach außen präsentiert – zugegeben ein wichtiger Punkt. Aber wie wäre es denn mit einer ökologischen Variante: Stauden und Blumen, die von den immer mehr bedrohten Bienen bevorzugt werden? Also – so ähnlich wie es schon war. Das kostet nicht viel. Weiß ich zufällig genau. Ist zwar auch bißchen wild, aber das wird durch die ordentliche Ortsdurchfahrt kompensiert, denke ich.

  5. jumbo
    28. Juni 2013 um 13:31

    Liebe Diskutanten in Sachen Kreisverkehrstgestaltung! Ich finde, alle Meinungen, die hier im Blog bisher geäußert wurden – Freiheit der Kunst, Kritik am scheinbaren Alleingang des Bürgermeisters, andere Möglichkeiten der Gestaltung und und und – sind berechtigt und müssen ernst genommen werden. Ich selbst habe auch hier im Blog meine Kritik an der bisherigen Gestaltung geäußert und bin ehrlich gesagt gar nicht so traurig, dass die nach meinem Geschmack eingetretene Wucherung mit Schrottplatzatmosphäre nun beseitigt ist. Und sicherlich ist es problematisch, wenn eine Entscheidung eines demokratischen Gremiums im Handstreich ohne erneuten Beschluss gekippt wird.

    Aber für mich ganz persönlich muss ich sagen, dass sich die Maßstäbe für mich aufgrund der Ereignisse und Schlagzeilen der letzten Wochen wieder neu zurecht gerückt haben. In den Hochwassergebieten wäre man über einen Kreisel wie den unseren – ob mit oder ohne Krone und Bepflanzung – wahrscheinlich heilfroh, in Starnberg trauern Angehörige um einen Menschen und Polizisten müssen damit fertig werden, dass sie einen Menschen getötet haben, um nur zwei Beispiele zu nennen.

    Klar, auch der Kreisel oder die Windräder sind für viele ein echtes Problem, aber wir sollten bei allen Diskussionen “auf dem Teppich” bleiben und immer wieder einmal unsere Maßstäbe überprüfen.

    • gast
      28. Juni 2013 um 21:05

      Lieber Jumbo, ich stimme Dir voll und ganz zu, dass es viele wichtigere Themen gibt.
      Nur: Über diese wird hier nicht diskutiert. Hier geht’s nun eben mal um Kreisel und Windräder.

      Ich bin mir sicher, dass allen, die sich hier auf den QUH-Seiten zu einem bestimmten Thema mehr oder weniger leidenschaftlich äußern, bewußt ist, dass es an vielen Stellen der Erde Schmerz und Leid gibt.

  6. Gast-Berg
    28. Juni 2013 um 16:39

    Es gibt wichtigeres… Ja, nicht optimal
    vielleicht unschön, vielleicht Geschmackssache
    vielleicht zu grün, vielleicht zu erdig.

    Egal, es gibt wichtigeres
    in Berg, woanders
    meine Zeit, die Zeit der Gemeinderäte.
    Danke, Punkt.

  7. Bergkamo
    30. Juni 2013 um 8:11

    Kreisel Wenn er nicht besser (gestaltet) wird, wird er nur noch schlimmer !