Johano Strasser ist aus Berg nicht wegzudenken – obwohl er immer wieder und immer noch kosmopolitisch unterwegs ist. Und nun gibt er ein Heimspiel: Der ehemalige Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, promovierter Philosoph, habilitierter Politikwissenschaftler, bis 1975 stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos und Autor hat einen neuen Roman verfasst. An diesem Mittwoch um 19 Uhr liest Johano Strasser in der Gemeindebücherei Aufkirchen aus seinem neuen Roman “Radka”.
Radka ist schon tot, als wir zum ersten Mal von ihr hören. Alfred, als Kind an Kinderlähmung erkrankt, erfährt aus der Zeitung von ihrem einsamen Tod vor einem laufenden Fernseher, wo die Leiche lange unentdeckt blieb. Vor Jahrzehnten hatte ihn die damals jugendliche Außenseiterin Radka stets in Schutz genommen vor den Schikanen der Dorfrowdies, hatte mit ihm für die Schule gelernt, ihm die Welt erkärt. Die Waise Radka, die “Zigeunerin”, war als Baby aus einem brennenden Haus gerettet und von dem kinderlosen Ehepaar Gramke aufgenommen worden. Auch nachdem sie das Dorf verlassen hatte, um als Sängerin und Varietékünstlerin durch die Welt zu ziehen, blieb das Band zwischen Alfred und ihr bestehen. Aus den fernsten Orten schickte sie ihm Postkarten – die Texte eine eigene, von Johano Strasser gewandt abgesetzte literarische Kategorie mit Momentaufnahmen aus Radkas Leben in der für Radka so typischen Perspektive -, die Alfred über die Jahrzehnte sammelt.
Radka ist die absente und doch stets präsente Größe in dem kleinen Dorf, in dem die Handlung zentriert ist. Alfreds Blick und seine Erinnerungen an Radka ist nur eine Perspektive, aus der wir Radka kennenlernen. Auch der Dorfpolizist Werner, der Arzt Doktor Zelebat, die unglücklich verheiratete und nun verwitwete Christine kommen abwechselnd zu Wort und machen die schillernde Gestalt Radka lebendig – und auch das Dorf, in dem die Erzähler leben.
Fast wie in einem Film ergänzen sich die unterschiedlichen Erinnerungen in spannender wie berührender Erzählweise zu einem Ganzen, in dem ´seelische wie körperliche Verletzungen, Prügel, Vergewaltigung, deutsche Geschichte, kollektives Schweigen, Schuld, aber auch Liebe, Sehnsucht, Freundschaft, die Schönheit kleiner Momente zu dem komplexen Gesamtbild beitragen. Und so ersteht nicht nur die rätselhafte Radka, “aus dem Feuer geboren”, sondern auch der Mikrokosmos Dorf erschließt sich in all seinen Facetten, ohne gewertet zu werten. Johano Strasser gelingt es mit seinem genauen und liebevollen Blick, die unterschiedlichen Stimmen schlüssig und behutsam voneinander abzusetzen, sodass im Kopf des Lesers auch diese Charaktere plastisch und vor allem menschlich werden. Das Dorf als Welt.
Und am Ende – als Alfred die Asche Radkas nach Hause ins Dorf holt – gibt es noch eine überraschende, fast krimiwürdige Wendung. Lassen Sie sich überraschen und hören Sie Johano Strasser am Mittwoch zu.
Die Lesung am 19.6. in der Gemeindebücherei beginnt um 19 Uhr und kostet 10 € Eintritt. Für Getränke ist gesorgt, auch das Buch, erschienen im Verlag Bibliothek der Provinz, können Sie vor Ort erwerben. Reservierungen unter schad.kulturverein@gmx.de.