„Für einen Tag und eine Nacht war er einer von uns“, erklärte Vorstandsmitglied Ludwig Steindl vom Berger Kulturverein bei seiner Einführung zur literarisch-musikalischen Rilke-Soiree im Schloss Kempfenhausen am 27.September. Er bezog sich damit auf den Besuch des 22-jährigen Rainer-Maria Rilke und seiner Geliebten Lou Andreas-Salomé in Schloss Berg im Sommer 1897. Die beiden kamen per Kutsche aus Wolfratshausen herüber, wo sie in der „Lutz-Villa“ einen stürmischen Sommer der ersten Liebe verbrachten. Das „Liebesnest“ der beiden gibt es noch, Es steht nur ein paar Schritte vom Pfarrplatz hinauf Richtung Bergwald am Eichheimweg 10.
Das “Liebesnest”: Die Lutzvilla (Foto © Stadt Wolfratshausen)
Aus Anlass seines 150. Geburtsjahres widmete der Kulturverein Berg dem Dichterfürsten eine Gedenkveranstaltung. Der Andrang dazu war groß, und groß war die Not des Kulturvereins, alle Interessenten im Rittersaal unterzubringen. Es gelang nicht ganz – die zu spät kamen, waren chancenlos, bereits Tage vorher waren alle Plätze restlos vergeben.
Lou Andreas-Salomé (rechts) mit (von links) ihrem Mann Friedrich Karl Andreas, dem Architekten August Endell und ihrem späteren Liebhaber Rainer Maria Rilke in einem Sommerhaus bei München.
Zu Gast waren große Namen aus der Literatur-und Musikwelt: Gert Heidenreich, als Sprecher und Interpret eine lebende Legende und Anja Lechner, die Ausnahmecellistin, national wie international gefeiert als Solistin und Mitglied namhafter Kammermusikensembles. Das Programm der Soiree bildeten Texte von Rainer Maria Rilke, eingerahmt von Musik für Violoncello solo aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Gert Heidenreich und Anja Lechner mit Rilke (nicht im Bild)
Ludwig Steindl berichtet begeistert: “Gert Heidenreich strukturierte die Rezitation entlang von acht Themenkreisen, die den Glutkern von Rilkes tiefgründiger Auseinandersetzung mit existenziellen Themen wie Liebe, Tod und Spiritualität ausmachen. Rilkes innovative Sprachkunst und seine Fähigkeit, das Innere des Menschen in Worte zu fassen, erfordern eine kongeniale Interpretation, wenn die Zuhörer mitgenommen werden sollen. Gert Heidenreich gelang dies unnachahmlich. Mit dunkler, nüchtern-klarer Stimme, jedes Wort bewusst gesetzt, verlieh er den komplexen Textgebilden jenseits von Raum und Zeit Leben und Erfahrbarkeit.”
In den Themenübergängen erklangen die weltenrückten Klänge von Anja Lechners Cello mit Kompostionen von J.S. Bach (1685-1750), K.F. Abel (1723-1787) und T. Hume (1569 -1645), manche eigens von ihr transformiert von der original für Gambe eingerichteten Notation. Diese „stille, großartige, zur Einkehr bei sich selbst einladende Musik“ (wie es in einer Kritik zur CD, erschienen auf ECM New Series, heißt) erzeugte eine Aura, die nicht nur bruchlos die Texte ergänzte, sondern sie um eine besondere Nuance bereicherte.
Ein Erlebnis großer Kunst – atemlos und gebannt folgten die Zuhörer dem geradezu magischen Abend. Nicht wenige von ihnen dürften – ja was? – der Welt abhandengekommen sein, für ein paar Stunden. „Die Blätter fallen, fallen wie von weit …“ Das letzte Gedicht führte dann zurück in einen Herbstabend auf Schloss Kempfenhausen, der vielen lange nachgehen wird. Der Beifall wollte kein Ende nehmen und selbst die Künstler waren sichtlich berührt von dem Abend.”
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