Das Herbstlaub raschelt, der Winter naht, es ist noch dunkel. An einem solchen Tag vor vielen Jahren steige ich müde ins Auto und begebe mich auf den Weg zur Arbeit ins ferne München.
Kaum aus dem Berger Hölzl, taucht im Lichte der Scheinwerfer am rechten Straßenrand eine Gestalt auf. Es ist ein Mann im Bademantel. Ich traue meinen Augen nicht, schnell mit der Hand kurz die Augen massiert, schon bin ich vorbei. Spätestens in Percha fasse ich den festen Vorsatz, künftig weniger zu trinken und eher ins Bett zu gehen.
Heute besuchen wir Herrn Dr. Reinhard Luyken, er wohnt am Fasanenweg in Kempfenhausen und möchte uns etwas über seltsame Gestalten erzählen.
QUH: Herr Dr. Luyken, wie geht es Ihnen?
Dr. Luyken: Danke der Nachfrage, eigentlich ganz gut. Mit jetzt 92 Jahren muss ich natürlich etwas kürzer treten, aber ich mache das Beste daraus und unternehme viel.
QUH: Lassen Sie mich gleich mit der Tür ins Haus fallen: Der Mann von damals ist auch anderen Frühaufstehern erschienen. Können Sie uns etwas dazu sagen, waren Sie es vielleicht selbst?
Dr. Luyken: (lacht) Nein, das war doch mein Nachbar Herr Zehler mit seinem wunderschönen weißen Bademantel. Der ist – genau wie ich – ganzjährig schwimmen gegangen und hat dann schon früh morgens die Leute an der Staatsstraße erschreckt. Er ist leider vor längerer Zeit gestorben. Es gibt übrigens am See einige sehr unermüdliche Schwimmer. Ich selbst schwimme immer noch täglich, allerdings nur noch von Ende April bis in den Oktober.
QUH: Also hatte ich damals richtig gesehen.
Dr. Luyken: Ja natürlich, aber ich möchte Ihnen von anderen seltsamen Gestalten erzählen. Die gingen nicht zum See hinunter, sondern kamen von dort herauf. Ich hatte meine Praxis am Fasanenweg erst einige Jahre, es war wohl in den 60ern, da besuchten mich hin und wieder Patienten von der Villa Drenhaus an der Seestraße. Es waren zwar immer nur harmlose Geschichten, aber die machten jedes Mal ein Riesengeheimnis um sich. Sie hießen Müller, Meier, Schmidt oder ähnlich und wichen meinen Fragen nach Arbeitsstelle, Familie und Wohnort geschickt aus. Erst viel später habe ich von einem dieser Patienten erfahren, dass das alles Geheimsachen wären. Keiner der Patienten war Kassenpatient, deshalb gab es immer eine Rechnung, die umgehend und ohne viele Spuren zu hinterlassen beglichen wurde. Einer sagte einmal im Vertrauen und mit Flüsterstimme “Organisation Gehlen – Tarnung – Sie wissen schon! …”. Zu diesem Zeitpunkt war aus der Organisation Gehlen zwar längst der Bundesnachrichtendienst geworden, aber der alte Name traf die Sache wohl immer noch besser, vielleicht war es auch die Nähe zum Namensgeber, der nur wenige Straßen entfernt lebte.
QUH: Das ist ja spannend, gibt es noch Unterlagen?
Dr. Luyken: Nein, das ist ja schon fast 50 Jahre her und selbst wenn, würden die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen wie viele andere Begebenheiten, die ich Ihnen nach meinem langen Berufsleben erzählen könnte. Meine Tochter hat das übrigens seinerzeit irgendwie mitbekommen und dann mit ihrer Freundin das spannende Spiel erfunden: Dem Spion hinterherspionieren.
Villa Drenhaus, erbaut 1904 als Villa Plass, bewohnt von einer holländischen Familie, ab 1953 Kinderklinik Faul & Kazmaier bis 1958, daraufhin im Besitz des BND als Schulungszentrum der Bundeswehr, später Kommunikationsforum der Hypo Bank und Ort der Kempfenhausener Gespräche, seit ca 10 Jahren Sitz des Allianz Management Institute.
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