Gestern Palastrevolution – die Gemeinderatssitzung

Ist das die Revolution? – Mitten in der Berger Idylle? – Zumindest wird der Wind etwas schärfer.

Weiße Segelboote gleiten lautlos über den kristallblauen See, in der Ferne erhebt sich ein malerisches Alpen-Panorama, das vom Karwendel über die Benediktinerwand bis hin zur Zugspitze reicht.” … so tönt es vollmundig in dem Exposé eines Villenbauers für ein neues Bauwerk in Unterberg. Auf dem Grundstück finden bereits Erdbewegungen statt. Nachteil: eine Baugenehmigung dafür liegt noch nicht vor. Wie ein Mahnmal pinnte deshalb GR Ammer (QUH) die Titelseite des Katalogs für das noch ungenehmigte, dafür ersichtlich 4-stöckige Haus an die Ratswand:


Dieses “Villenensemble” wollte die Verwaltung erlauben, will aber kein einziger Gemeinderat dort sehen

Das passt nicht dahin, entschied der Gemeinderat geschlossen und votierte mit 18:1 Stimmen gegen zwei Bauanträge zum Hochglanzprojekt. Die einzige Stimme für das “Villen-Ensemble” kam vom Bürgermeister, der sich damit vor seine Verwaltung stellte. Sie hatte das Projekt, das die Baugrenzen des Bebauungsplanes etwas überschreitet, klar befürwortet.

Diese – aus dem Bauch heraus geschehene – Machtdemonstration des Rates gegenüber Bürgermeister und Verwaltung war nicht das einzig Sensationelle an dieser Sitzung. Nein! Verwaltung und Bürgermeister wurden insgesamt 5 Mal überstimmt. – Das hat es bisher so nicht gegeben.

Begonnen hatte es ganz unscheinbar: Der Gemeinderat stimmte einer Erweiterung des Sammeltaxi-Fahrplans einstimmig zu. Sammeltaxis wird es jetzt zusätzlich um 23.15 Uhr und freitags und samstags sogar um 3 Uhr 15 geben. Allerdings regte sich sofort Protest bei der geplanten 100% Erhöhung der Fahrpreise von 1.50 € auf 3 € für Schüler & Studenten und von 3 € auf 6 € für Erwachsene. Julia Galloth – ihre erste Wortmeldung – fand die Erhöhung für Jugendliche zu hoch. Elke Link (QUH) war aufgefallen, dass 3 – 4 Erwachsene im subventionierten Sammeltaxi mehr zahlen würden als jene 17,95 €, die von der Verwaltung als Kosten für eine Fahrt angegeben wurden. Der Bürgermeister ließ trotzdem – noch siegessicher – über den Vorschlag der Verwaltung abstimmen … und erlitt prompt seine erste Niederlage in der noch jungen Legislaturperiode. Genehmigt wurde ein Kompromissvorschlag von Sissi Fuchsenberger (SPD), die als neuen Fahrpreis 2 € für Jugendliche und 5 € für Erwachsene ins Gespräch gebracht hatte.

Auch bei zwei Bauanträgen am Habichtweg in Biberkor, wo es einen Ortstermin gegeben hatte, konnten sich Bürgermeister Monn und seine Verwaltung, die recht rigide Ablehnungen der Projekte verfasst hatte, zweimal nicht durchsetzen. Der Rat sprach sich dafür aus, dass die ehemalige Asylantenwohnung am Habichtweg aufgestockt werden darf. Gegenüber darf die Kalinke GmbH in den Garagen einen Schulungsraum einrichten … sofern das Gebäude rechtmäßig erbaut wurde. Letzteres die Bedingung, die der Rat stellt. Die Verwaltung hatte auch hier in mehreren langen Schriftsätzen “keine Genehmigungsfähigkeit” gesehen. Jetzt muss das Landratsamt entscheiden.

Nie hat es in der letzten Legislaturperiode ein solches Abstimmungsverhalten gegeben. Fast scheint es, als ob der neue Rat sich etwas selbstbewusster fühlt, sich nicht so als Abnickorgan von Verwaltungsakten präsentieren will wie der letzte.

Auch der Beginn der Sitzung hatte es in sich: GR Gastl-Pischetsrieder (CSU) forderte vehement den Erhalt der Schaukästen der Gemeinde in Leoni. BGM Monn wiegelte ab und meinte GR Gast-Pischetsrieder solle einen schriftlichen Antrag stellen, was dieser auch ankündigte.

GR Ammer (QUH) fragte nach, ob der Hortbetreiber KinderArt wirklich – wie in der Gemeindeversammlung behauptet wurde – bei der Vergabe von Hortplätzen nach Ancienität und nicht nach sozialen Gesichtspunkten urteilt. – Eine Antwort darauf wird es nach einem Gespräch mit KinderArt geben.

Eine Mutter hatte angeklagt: “Ich bin alleinerziehend, habe drei Kinder, komme aus Bachhausen. Ich habe keinen Platz bekommen. Bei KinderArt sind die Vergabekriterien so, dass bevorzugt Kinder aus den Kita Höhenrain und Berg genommen werden. Es gibt keine sozialen Kriterien. Jemand wie ich landet ‘unter ferner liefen’, weil ich weder Geschwisterkinder noch KinderArt-Kinder habe.” Wenn dem so wäre, sollte die Gemeinde einschreiten. (vgl. /?p=944/ )

Eine Premiere gab es auch noch. Der 2. Bürgermeister Andi Hlavaty (CSU) mußte überraschend seine erste Abstimmung leiten. Es ging um die Widmung des “Kirchangers” in Höhenrain zur Ortsstraße (unser Bürgermeister gehört dort zu den Anrainern). Andi – im blauen Sport-T-Shirt auf dem Amtsstuhl – war erst etwas verdattert (“Ich hab keine Ahnung, was mach ich?”), las dann den Beschlußvorschlag vor, dem einstimmig zugestimmt wurde. Mit den Worten “So geht das!” übergab er daraufhin das Wort wieder an seinen Dienstherren, der sich an diesem Abend nicht so gut durchsetzen konnte.

Kommentieren (1)

  1. Bergkamo
    21. Mai 2014 um 3:42

    Neuer Rat Beim ‘Abnicken’ reichte ehedem eine Bewegung des Kopfes –
    ‘NEINsagen’ erfordert jetzt schon etwas mehr Aufwand und Widerstand.
    Weiter so!