Berg hat ein Problem (aber vielleicht wirklich nur eines).
Der Bürger hatte das Wort … zuerst aber wird er aufgeklärt, wie gut es ihm geht. So geht das Ritual bei den gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerversammlungen. “In jeder Gemeinde hat der erste Bürgermeister mindestens einmal jährlich, auf Verlangen des Gemeinderats auch öfter, eine Bürgerversammlung zur Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten einzuberufen.” – so steht es in der Bayerischen Gemeindeordnung.
Die gestrige Versammlung hat gezeigt, wie sinnvoll das ist. Die Vertreter wichtiger Verbände konnten sich dem Bürger persönlich vorstellen (Abwasserverband), der Bürgermeister auf seine Erfolge verweisen (Schuldenfreiheit), der Bürger auf Missstände hinweisen (dazu kommen wir gleich).
In der Vergangenheit hatten die Gemeindevertreter schon mal ihr Rederecht bis in die tiefe Nacht und bis zur Ermüdung ausgeweitetet, oder die Äußerungen der Bürger neigten “zum Komödiantischen” (jedenfalls nach Aussage einer Gruppierung, die eine Bürgerviertelstunde vor den Gemeinderatssitzungen mit diesem Argument letzte Woche abgelehnt hat).
Gestern lief alles diszipliniert und schnell ab. Der Tenor war: Unserer Gemeinde geht es gut. Sie hat keine Schulden, sie ist Schlusslicht in der Kriminalitätsstatistik (Drogenrazzien wurden nicht erwähnt), die Erhöhungen beim Abwasser scheinen nur hoch, sind es aber gar nicht. Probleme gibt es auch: beispielsweise die manchmal mangelnde künstlerische Qualität der Ausstellungen im Rathaus (das selbst saniert und ausgebaut gehört).
Wo aber alles so gut ist, wächst die Gefahr auch. Plötzlich standen – begleitet von einem Berger Arzt – zwei Mütter auf und bemängelten, dass in Berg 15 Familien keinen Hortplatz bekommen hätten. Das ist schlimm, kann aber selbst in einer reichen Gemeinde vorkommen. Viel schlimmer aber wiegt der Vorwurf der Mütter, dass die vorhandenen Plätze nicht nach sozialen Gesichtspunkten vergeben wurden, sondern dass dem Betreiber der Kindertagesstätten andere Kriterien wie “Geschwisterkinder” oder die Buchungszeiten (also der kapitalistische Gewinn) wichtiger seien.
“Bei der Vergabe der Hortplätze gibt es keine sozialen Gesichtspunkte!”
Eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern erläuterte diesen Missstand am eigenen Schicksal. Sie könne nicht mehr arbeiten gehen, während andere Mütter ohne Beruf Hortplätze bekommen hätten. – Besserung konnte von offizieller Seite nicht versprochen werden, der Fall wurde als “Extremfall” bedauert. Die Mutter hat das daraufhin online kommentiert:
“KinderArt betreibt den einzigen Hort hier und unser Bürgermeister kennt dessen Vergabekriterien nicht und findet auf den Einwurf “alleinerziehend”, man ginge jetzt ins Extreme. – Ohne Worte!”
Allein der Umstand, dass die Öffentlichkeit und die politischen Vertreter dies erfahren haben und jetzt nachgeforscht werden muss, rechtfertigt jede öffentliche Anhörung der Bürger – es sollte mehr Gelegenheiten dazu geben.
(Den betreffenden Redebeitrag finden Sie hier: http://bit.ly/1lxMdv4 )