Rappelvoll
Die Tische waren voll besetzt, die Leute standen an den Wänden – lediglich musste sich niemand mehr die Nase von außen an den Fenstern plattdrücken. Das Interesse der Berger bei der 2. Informationsveranstaltung zum Thema “Asyl in Berg” war ungebrochen.
“So viel Andrang hat es bei den anderen Gemeinden nicht gegeben”, erklärte Bürgermeister Monn zu Beginn der Veranstaltung stolz. Er informierte über die Rahmenbedingungen und kündigte einen Tag der offenen Tür in der Zeltanlage an. Der Termin steht allerdings noch nicht fest.
Der stellvertretende Landrat Georg Scheitz sagte, es habe sich – auch seit letzter Woche – viel getan. Man müsse nur die Nachrichten ansehen. Weltweit befänden sich ca. 60 Mio. Menschen auf der Flucht. In den Landkreis kommen derzeit 38 Personen /Woche. Für morgen kündigte er die Anlieferung von Möbeln in der Berger Anlage an – das THW, das BRK, die Feuerwehren und Ehrenamtliche würden morgen zusammenhelfen. Seine Bilanz: “In kurzer Zeit haben wir vieles geschafft. Wir können uns gut sehen lassen in Bayern. Aber es ist ein Lernprozess.” Weiterhin informierte er, dass der Einzug in Berg für die Menschen der erste Schritt in die Freiheit sei – die Leute kämen aus Erstaufnahmelagern mit festen Abläufen und Catering – hier könnten die Leute selbst kochen, Familienverbände könnten sich einleben.
Der Lageplan der Zeltanlage (zum Vergrößern anklicken)
Herr Derpa und Herr Hinze vom LRA erklärten – wie letzte Woche – die Zeltanlage. Neu ist, dass mittlerweile die Firma Jonas Better Place mit dem Zeltmanagement beauftragt worden sei – eine “gute Firma mit sozial-integrativem Ansatz”. Herr Hinze kündigte für morgen Abend viele Fahrzeuge an – sicherlich bis 22 Uhr würden Möbel geliefert. Der Aufbau der gesamten Anlage dauere sicherlich bis Dienstag oder Mittwoch.
Herr Teymurian konnte berichten, dass der Helferkreis auf mittlerweile 55 Personen angewachsen sei. Er macht weiterhin mit jedem Bewerber ein einstündiges Vorgespräch. Ziel sei es, den Gästen die deutsche Sprache und die deutschen Regeln und Sitten beizubringen – “So muss man es machen, damit man nicht so auffällt!”. Viele junge Leute seien unter den Helfern – und nur sechs Rentner! (Gelächter). Und er konnte Positives aus der Bevölkerung berichten: Mitarbeiter der Schön-Klinik wollten – während ihrer Mittagspause – einen Deutschkurs organisieren. Das Hotel Schloss Berg bot zwei Wohnungen für Asylsuchende an. Hans-Peter Höck sagte bei einem Anruf sofort zu, kostenlos Passbilder für eine syrische Familie zu machen, die gerade Bleiberecht bekommen hatte . Jochen Reitberger half mit Brillen bei Augenproblemen aus – Asylsuchende sind nur für Schmerzen und für Notfälle krankenversichert. “Wir haben Verständnis für Ängste. Aber wir bemühen uns, die Ecken und Kanten verschwinden zu lassen.” Was für ein Glück, dass wir Herrn Teymurian hier haben!
Florian Gehlen von der Polizeiinspektion Starnberg betonte, es gebe keinerlei Anlass zu Sorgen. Der Zustrom der Flüchtlinge sei nicht mit einem Anstieg der Kriminalität verbunden. Die Polizei sei keineswegs daran interessiert, irgendwelche Straftaten zu vertuschen – “Wir müssen auch mit den Umständen fertig werden.” Das größte Problem seien Probleme der Flüchtlinge untereinander. Er wisse nicht, wie es in der Zukunft aussehe, aber derzeit gebe es keinerlei Anlass für Ängste. Man solle die Augen aufhalten und sich bei Bedarf an die Polizei Starnberg wenden. “Es sind keine potentiellen Straftäter, die zu uns kommen, sondern Bürger wie du und ich, die auf der Flucht sind.”
Der stellvertretende Landrat erklärte übrigens, die bei der letzten Veranstaltung verbreitete Geschichte über Andechs (“Hier gehen nur noch die Männer einkaufen, und sogar die werden sexuell belästigt!”) sei Unsinn – er habe sich sofort bei mehreren Stellen erkundigt – nichts daran sei wahr.
Die Stimmung war allgemein gelöster und lockerer als beim letzten Mal.
Die Fragen aus dem Publikum waren auch etwas allgemeiner. Wir fassen kurz und schmerzlos zusammen.
Hartmut Bannert aus Aufkirchen:
F: Was bedeuten die Flüchtlingsströme über die augenblickliche Situation hinaus?
A Herr Derpa: Das ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft – die Schulen bilden Übergangsklassen, die Anerkennungsquote liegt bei 40 %.
F: Ich wollte – in Wolfratshausen – einen Flüchtling aus Nigeria anstellen. Die bürokratischen Hürden waren enorm. Ich will Unterstützung statt Verhinderung!
A Herr Scheitz: Ich bin begeistert, dass schon nach Anstellungsverhältnissen gefragt wird!
A Herr Derpa: Das ist wirklich nicht so einfach. Unter einem Aufenthalt von drei Monaten darf gar nicht gearbeitet werden. Nach drei Monaten wird geprüft, ob der Job zu gleichen Bedingungen wie für EU-Bürger angeboten wird (um Missbrauch zu vermeinte) und es gilt die Vorrangprüfung – für diese Stelle darf kein Deutscher oder gleichgestellter EU-Bürger zur Verfügung stehen. Nach 15 Monate entfällt die Vorrangprüfung. Parallel können aber 1 €-Jobs in kommunalen und gemeinnützigen Organisationen ausgeübt werden.
F: Was bekommen die Asylbewerber überhaupt?
A Herr Derpa: Etwas weniger als Hartz IV-Empfänger ohne die Miete. Also 140 € Taschengeld und 180 € für Verpflegung pro Monat. Gutscheine gibt es bei uns nicht.
Frau Aska (richtig so?):
Ich habe einen “Migrationshintergrund”. Mich interessieren die technischen Fragen. Ich sehe ein großes Gefahrenportential – die Menschen kommen aus dem Krieg, sitzen hier auf einander, haben eine stolze Kultur, wollen also arbeiten – sie mahnt die Politiker: “Beschäftigt die Leute – es ist wichtig, dass die was zu tun haben!”
Stefan Reiser aus Pöcking wollte wissen, welche Rahmenbedingungen für gemeldete Unterkünfte gelten.
A Herr Scheitz: Nennen Sie uns alle, wir prüfen das ab. 08151-148-0.
Siglinde Pfluger aus Allmannshausen:
Ich arbeite seit mehreren Jahren mit minderjährigen Flüchtlingen in Berg, wir haben gute Erfahrungen. Aber die Leute brauchen Zeit. Wie geht es weiter? Erwarten wir noch mehr Flüchtlinge?
A BGM Monn: Was heute Tatsache ist, kann morgen längst anders aussehen. Wir wissen es nicht. Aber wir machen uns Gedanken, wie wir in Berg mehr Menschen dauerhaft unterbringen. Wir machen uns Gedanken, um gerüstet zu sein.
Marc Menzel, Ammerland:
Zur Selbstständigkeit: Gibt es einen Reinigungsdienst in der Zeltanlage?
Stellvertr. LR Scheitz: Momentan reinigt der Betreiber. Aber wir wollen immer mehr Selbstständigkeit. Bei anderen Einrichtungen hat sich das automatisch verselbstständigt, die Leute haben immer mehr Eigenverantwortung übernommen.
Zu sozialen Veranstaltungen: Gibt es Vorhaben zu gegenseitigen Treffen?
Herr Teymurian: Natürlich – aber wir wissen noch nicht, wer zu uns kommt. Wir können die Pläne erst sortieren, wenn wir wissen, wer da ist. Auch das Landratsamt erfährt erst einen Tag vorher, wer kommt.
Ende der Veranstaltung.
Morgen also die Anlieferung der Möbel, der Termin für die Begehung der Anlage wird über die Homepage und die Presse bekanntgegeben.