Es war ein Zufall und trotzdem vielleicht so etwas wie ein Bekenntnis: der erste öffentliche Auftritt des Ex-CSU-Vizes und Ex-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler nach dem Rückzug von seinen politischen Ämtern fand in der Gemeinde Berg statt.
Gauweiler spricht … in Berg statt in Berlin
Schon lange hatte Pfarrer Habdank mit Peter Gauweiler vereinbart, dass dieser die Abschlussrede zu der Gedenkveranstaltung “Marsch des Lebens” in Schloss Unterallmannshausen halten würde. Nach dem überraschenden Rückzug aus der Bundespolitik und nach einer Knieoperation hätte es genug Gründe gegeben, diese Rede abzusagen. … Nichts dergleichen!
Peter Gauweiler gedenkt des Todesmarsches aus dem KZ Dachau
Es war eine Rede, in der es natürlich um das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden ging. Aber Gauweiler, der durchaus nicht den Eindruck macht, dass er sich mit seinem biologischen Rentenalter zufrieden geben würde, wäre nicht der brilliante Redner, der er ist, wenn es nicht zwischen den Zeilen auch um aktuelle politische Entwicklungen und um sein persönliches Credo gegangen wäre.
So gedachte “PG” (so sein Autokennzeichen) eingangs seiner “Osteransprache” des Todesmarsches als einer “2. Passion”. Eine Leidensgeschichte, die hier vor unserer Haustür stattgefunden habe und nicht vor 2000 Jahren in Palästina. Hier seien wir verantwortlich.
Zwar seien die Deutschen, wie man an dieser Veranstaltung sehe, “Erinnerungsspezialisten”, sie müssten aber in der Politik auch lernen, “Konsequenzen zu ziehen”. Welche Lehre gelte es also aus dieser Geschichte zu ziehen? – Man müsse den Mut zur Verantwortung haben. Mut – und plötzlich klang es, als rede Gauweiler auch über die aktuelle Politik und sich selbst – “Mut als Fähigkeit gegen aktuelle Strömungen zu sprechen”. Bismarck zitierend, geißelte der Redner “die Scheu vor Verantwortung” als eine Krankheit unserer Zeit.
Gauweiler ging auch auf aktuelle Probleme ein
Sogar der in Lausanne verhandelte Vertrag zwischen den Atommächten und dem Iran, den Israel so stark kritisiert, passte da ins Redekonzept. Gauweiler bezog klar Position: Er begrüße den Vertrag, heiße ihn als Kompromiss gut, trotzdem müsse alles daran gesetzt werden, dem Staat Israel alle nur erdenkliche Sicherheit zu geben.
Und zum Schluss gab es noch ein persönliches Bekenntnis, das ein wenig die erstaunliche Wandlung des einstigen “schwarzen Peters” zu einem freien, in manchen Positionen gar den Linken nahestehenden Denker erklärbar werden ließ: Die Fähigkeit, andere Meinungen zu akzeptieren, sich beständig den Gedanken vorzuhalten: “Vielleicht könnte mein Gegner ja doch recht haben?” Dafür – so Gauweilers Schlussbekenntnis – habe er lange gebraucht, und er ringe da heute noch oft mit sich. Und der Totalitarismus, der habe sich am Kriegsende, am 8.Mai, nicht in Luft aufgelöst; den müsse man stets neu bekämpfen. – Langer, herzlicher Applaus.