Bewusst nennen die Organisatoren ihre Gedenkveranstaltung morgen zum 70. Jahrestag des Todesmarsches aus dem KZ Dachau “Marsch des Lebens”. Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Peter Gauweiler, der im Schlosssaal von Schloss Unterallmannshausen um 17 Uhr die Abschlussrede halten wird, und BGM Rupert Monn, der um 14 Uhr am Kreisel den Marsch eröffnen wird. Am 26. April hatte die SS das Lager Dachau aus Angst vor den heranrückenden Alliierten geräumt. An die 8.000 Häftlinge – die meisten zu erschöft zum gehen – sollten nach Tirol geschafft werden. Viele starben am Wegesrand. Der ehemalige Häftling Karl Weber erinnert sich:
“Und wir, die am Schluß des Elendszuges marschierten, mußten miterleben, daß viele Kameraden nicht mehr mitgehen konnten, weil sie zu schwach waren. Hinter uns ging ein Trupp der SS mit Bluthunden und mit Maschinengewehren. Immer wieder krachte ein Schuß nach dem anderen. Wer nicht mitkam, der ist gnadenlos abgeknallt worden. Und wie viele gab es, die fußleidend und halbverhungert waren?”
Zwei junge Höhenrainerinnen erinnern sich ebenfalls an den Zug:
“Zuerst war es ein eigenartiges Geräusch von der Straße her. Wir waren alle sehr beunruhigt und wussten nicht, was es zu bedeuten hatte. Es war Ende April 1945, dass das Ende des Krieges unmittelbar bevorstand, war klar – unser Vater, der zu Hause war, sagte es voller Zuversicht täglich. Ich erinnere mich noch gut an meine Angst in dieser Nacht.
Im ersten Morgengrauen liefen wir nach draußen und sahen die vielen Leute. Oben auf der Hauptstraße kamen von Richtung Starnberg her viele Menschen in gestreiften grauen Anzügen. Manche von ihnen hatten eine graubraune Decke umgehängt. Jeder von ihnen hatte eine Nummer oder Buchstaben auf dem Rücken. Die waren auf den Jacken aufgemalt. Die Leute waren dürr, ausgemergelt, oft schwach zum Umfallen und viele von ihnen waren schon mehr tot als lebendig.
Es sickerte durch, dass das KZ Dachau durch die SS geräumt worden war, weil die Amerikaner immer näher rückten. Mit großer Härte trieben die schwer bewaffneten SS-Männer den Zug ständig an – wohl weil sie selbst große Angst vor den Amerikaners hatten. Die Hungersnot und der Durst unter den Menschen waren groß und sie bettelten trotz der strengen Bewachung immer wieder nach etwas Ess- und Trinkbarem.
Da Brot und Milch schnell vergriffen war, kochten meine Mutter und andere Nachbarn immer wieder Kartoffeln in großen Dämpfern, in denen sonst eigentlich nur Futterkartoffeln für das Vieh gekocht wurde. Wir Kinder brachten sie in großen Schüsseln an den Straßenrand. Dieser Menschenzug war so lang, dass mehrere Tage lang, Tag und Nacht, das Klappern der Holzschuhe auf der Straße weithin zu hören war. Es war ein ganz eigenartiges Geräusch, das ich nie mehr vergessen werde.”
Dies sind zusammengeführte Erinnerungen von Marianne Ziora und Veronika E. Winkler aus Höhenrain, die damals 10 und 13 Jahre alt waren. Die Erinnerungen und das Foto sind enthalten in der Berger Dokumentation „Gegen das Vergessen“, herausgegeben von Karin Höh-Knüppel / Kulturverein Berg e.V. 1996.
Es gibt nur wenige Fotos des Marsches. Sie stammen von Benno Gantner aus Percha, der es wagte, von seinem Balkon aus drei Aufnahmen zu machen.
Der Todesmarsch in Percha (Foto: Benno Gantner). Das Kreuz auf dem Rücken der Frau in der Bildmitte bedeutet: russische Gefangene
Es gibt auch die Geschichte einer heldenhaften Rettung. Leo Fuchsenberger vom Verein Christlicher Pfadfinder (VCP) Berg – Stamm Franz Kreis, der bei der morgigen Veranstaltung auch reden wird, hat eine Facharbeit über die Rettung geschrieben:
“Am 28. April 1945 entschloss sich Frater Franz Kreis vom damaligen Jesuitenrefugium auf der Rottmannshöhe, nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee, aber noch im Besitz einer Oberleutnant-Uniform, zusammen mit Otto Pies, einem Pater, der selbst im KZ Dachau inhaftiert gewesen war, dem Todesmarsch durch Berg und Höhenrain auf Fahrrädern zu folgen. Sie stießen kurz hinter Wolfratshausen auf die Gefangenen, die dort unter der strengen Bewachung im Wald lagerten. Die beiden Jesuiten konnten Kontakt zu Häftlingen aufnehmen, was vor allem durch die Oberleutnant-Uniform von Franz Kreis gelingen konnte.
Nachdem sich die beiden couragierten Ordensbrüder ein Bild von der Lage gemacht hatten, kamen sie in der darauf folgenden Nacht wieder. Diesmal mit einem geliehenen Lastwagen. Sie hatten Lebensmittel und Kleider dabei, die sie unter den Gefangenen verteilten. 12 verletzte Häftlinge konnten sie zur Behandlung mitnehmen. Zwei Nächte später zogen sie wieder los, und es gelang ihnen, weitere 20 Gefangene zu befreien. Allerdings befanden sich selbst nach dem Einmarsch der Amerikaner noch Insassen in den Lagern, die nur freigelassen wurden, wenn sie abgeholt und versorgt werden konnten. Aus Dachau wurden deshalb weitere Gefangene geholt, die auf der Rottmannshöhe Zuflucht und Versorgung erhielten.”
Mehr Dokumente zum Thema unten in Teil 1 unserer Dokumentation …