Der “Asylhelferkreis Berg” fällt vor allem durch seine professionelle Arbeit auf. Deutschunterricht, persönliche Patenschaften möglichst für jeden, aber keine “Verhätschelung” sind die Prinzipien. Heute haben die Asylhelfer sogar eine professionelle Pressemeldung verschickt, die wir gerne veröffentlichen: Darin ein aufschlussriches Interview mit dem Gründer des Helferkreises Iradj Teymurian.
F: Herr Teymurian, wieviele Flüchtlinge haben wir in Berg, wo landen diese Menschen?
A: In den letzten Wochen sind 53 angekommen. Die meisten kommen aus Pakistan und Syrien . Bei uns im Zeltdorf werden in den nächsten Jahren 128 Gäste leben. Viele davon auch für längere Zeit. Auch Familien mit Kindern – 25 Familien werden es vermutlich sein.
F: Kann man in diesem Zeltdorf denn überhaupt längere Zeit leben?
A: Es ist die beste Lösung, die die Gemeinde anbieten kann. Die Zelte sind winterfest und warm. Das ist natürlich kein Urlaub, es ist eine Notunterkunft für Menschen in einer Notlage. In Berg gibt es keine leer stehenden Bürohäuser, Kasernen, Klöster oder Mietshäuser. Das Zeltdorf ist die einzige Lösung. Und wie man sieht – auch in anderen Gemeinden sind Zeltunterkünfte eingerichtet.
F: Sie sprechen dauernd von „Gästen“. Warum?
A: Die Begriffe „Flüchtlinge“ oder „Asylbewerber“ sind mittlerweile sehr ungut aufgeladen und führen zu Diskussionen, um die es uns hier nicht geht. Wir wollen Menschen in Not helfen, wie sollen wir dazu sagen? „Refugees“ klingt für mich auch irgendwie fremd – wir sind doch in Bayern. Wir sagen also: „Gäste“. Nicht nur, weil es netter klingt sondern weil wir uns von den Leuten auch etwas wünschen: Dass sich die, die zu uns gekommen sind, wie Gäste benehmen – auf Augenhöhe und mit Respekt. In den Kulturen der Herkunftsländer hat ein Gast nämlich auch ganz bestimmte Pflichten, Gastfreundschaft wird dort sehr ernst genommen, und zwar nicht nur vom Gastgeber sondern auch vom Gast her.
Auf Augenhöhe … zu Gast in Berg
F: Gäste bleiben aber nicht für immer!
A: Genau. Es sind Gäste, für eine bestimmte Zeit. Dann gehen sie woanders hin nach Deutschland, nach Europa, vielleicht auch zurück – oder sie bleiben hier in Bayern und werden Mitbürger. Auch dann sind es keine Gäste mehr sondern ganz normale Mitbürger und Steuerzahler mit Rechten und Pflichten wie jeder andere. Wir helfen dabei, dass dieser Übergang gelingt, wohin auch immer sie dann gehen.
F: Wie helfen Sie?
A: Wir helfen dabei, einen guten Einstieg zu finden. Selbständig leben zu können. Sich selber zu helfen. Sprache lernen, sich hier zurechtfinden, sich integrieren. Irgendjemand muss den Leuten zeigen, wie man sich hier benimmt, zum Beispiel: dass man sich die Hand gibt, egal ob Frauen, Männern, Kindern. Viele wissen sowas einfach nicht, haben es nie anders gelernt und müssen umdenken. Was wir nicht machen: die Gäste verhätscheln, ihnen alles hinterhertragen und schenken. Das wäre eine schlechte Vorbereitung auf die Zukunft.
F: Wie geht’s den Nachbarn mit dem Zeltdorf?
A: Insgesamt ist die Stimmung, wie wir sie wahrnehmen, sehr positiv und gastfreundlich. Von Fremdenfeindlichkeit ist hier nichts zu spüren. Bisher gibt es kein Problem, das wir nicht mit der Hilfsbereitschaft von Menschen in Berg und Umgebung lösen konnten. Wir haben jetzt schon weit über 100 Helfer, die zum Beispiel Patenschaften übernehmen. Das heißt: Jeder Pate kümmert sich immer nur um einen Gast. Andere Helfer geben auch Deutschkurse oder stehen in vielen anderen Formen bereit zur Unterstützung. Das klingt viel, ist auch viel – aber wir brauchen noch mehr Leute. Die Arbeit geht ja jetzt erst los. Das Wichtigste, das wir für die Gäste und auch für uns selber tun können ist, mit ihnen zusammenzukommen, uns auszutauschen, das Fremde zu überwinden und den Gästen helfen, unsere Sitten, Gebräuche und Kultur kennenzulernen. Das ist wichtiger als alles andere.
F: Es gab auch kritische Stimmen, die behaupten, dass mit den Gästen auch das Betteln zunimmt Manche Leute fühlen sich belästigt…
A: Wir sind diesem Gerücht nachgegangen. Es hat nach unseren Erkenntnissen nichts mit Gästen aus dem Zeltdorf zu tun, das sind eher professionelle Bettlerbanden, die organisiert in Bussen anreisen und die Gegend abgrasen. Das gibt’s schon länger – in München ist das zum Beispiel ein größeres Problem. Die Polizei ist überfordert und kann wenig machen. Trotzdem: Am besten solche Leute der Polizei melden, vielleicht kann man ja dann doch etwas bewirken.
F: Gäste, die längere Zeit in dem Zeltdorf leben müssen, kriegen auch mal einen Lagerkoller, es gibt Streit, Ärger, vielleicht Schlägereien oder Schlimmeres. Müssen wir mit so etwas rechnen?
A: Wir hoffen, dass sich der Stress in Grenzen hält. Die Situation in Berg ist – im Gegensatz zu den großen, engen Lagern anderswo – etwas überschaubarer. Zu uns kommen auch bislang nur Gäste, deren Situation geklärt ist, sprich: Sie sind anerkannt als Flüchtlinge, Asylbewerber und haben keinen unklaren Status. Wir haben hier auch den Helferkreis mit seinen über einhundert Helfern, die sich um die Gäste kümmern, das sollte auch zur Entspannung beitragen. Und es gibt im Zeltdorf auch geschulte Fachleute, die dauernd vor Ort sind und darauf achten, dass alles sauber läuft.
“es ist eine Notunterkunft für Menschen in einer Notlage. In Berg gibt es keine leer stehenden Bürohäuser, Kasernen, Klöster oder Mietshäuser.” –
– ist das so?
Ich frage mich immer noch, wieso die Riedl-Wurstfabrik immer übersehen wird.