Es waren die letzten beiden Tage im Leben des Psychiaters Dr. Bernhard von Gudden, die sein Schicksal besiegelten, sein Leben beendeten und seine ganze Existenz in ein neues Licht rückten. Nach diesen zwei Tagen, die er als behandelnder Arzt an der Seite des ehemaligen Königs Ludwigs II. in Berg verbrachte, war er mit einem Schlag nicht länger ein ausgezeichneter Wissenschaftler, Hochschullehrer, angesehener Großfamilienvater und liberaler Anstaltsleiter, sondern plötzlich – sechs Tage nach seinem 62 Geburtstag – war er nur noch “Der Mann, der mit Ludwig II. starb” (so ein Buchtitel von Alfons Schweiggert). Heute ist sein 200. Geburtstag.
Prof. Dr. Bernhard Ritter von Gudden (7.6.1824 – 13.6.1886)
Bernhard Gudden wurde 1824 als drittes von sieben Kindern eines Guts- und Brauereibesitzers in Cleve geboren. In seinem 50. Lebensjahr wurde ihm in Bayern der “persönliche Adel” verliehen. Als Bernhard von Gudden schrieb er Psychiatriegeschichte. 1873 wurde er von der Münchner Universität zum Professor ernannt und übernahm die Direktion derOberbayerischen Kreisirrenanstalt München. In persönlichen Kontakt zu den Wittelsbachern und Ludwig II. kam der in München zu seiner Zeit hoch angesehene Mediziner als Kopf der “Prinzenärzte”, die den psychisch erkrankten Bruder Ludwigs, Otto II., in Schloß Fürstenried behandelten. Gudden war ein Anhänger des aus England stammenden “No restraint”-Prinzips in der Psychiatrie, das – für das 19. Jahrhundert revolutionär – jegliche körperliche Zwangsbehandlung der Patienten ablehnte, sie zur Arbeit in Haus und Garten anleitete und ihnen Konzert- und Theaterbesuche erlaubte.
Bernhard von Gudden mit Frau Clarissa, seinen neun Kinder, samt Hausdame & Wirtschafterin
Genau diese liberale Behandlungsmethode wurde Gudden bei seinem letzten Patienten zum Verhängnis. Bekanntermaßen wies er an seinem Todestag um 18 Uhr 35 entgegen allen Vorschriften und medizinischen Usancen mit einer Geste den Krankenpfleger Mader, der Ludwig II. auf Schloß Berg bewachte, dazu an, zurückzubleiben: Seine letzten überlieferten Worte waren “Es darf kein Pfleger mitgehen.”
Die todbringende Geste vom 13. Juni 1886
In der akademischen Welt wird Gudden, der früh schon Nervenbahnen mit dem Mikroskop untersuchte, obendrein als Mitbegründer der Neuroanatomie geschätzt. In München/Milbertshofen wurde Gudden zu Ehren eine Straße nach ihm benannt. Ansonsten erinnerten außerhalb der rätselhaften König Ludwig-Welt nur ein Grabstein auf dem Münchner Ostfriedhof und Festschriften von medizinischen Symposien an ihn.
Diesem Umstand haben unbekannte Enthusiasten nun ein Ende gesetzt. Seit einem 200. Geburtstag gemahnt an seiner Todesstelle ein hölzernes Kreuz an seinen tragischen Tod an der Seite oder durch die Hand von König Ludwig.
Gedenkkreuz für Dr. Gudden als “Der Mann, der mit (oder durch) König Ludwig starb”
Auch wenn sich die genauen Todesumstände Dr. Guddens an der Seite von Ex-König Ludwig II. nie mehr klären lassen werden, gilt es heute – auch nach Forschungen im geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher – für wahrscheinlich, dass der suizidale Ex-Monarch beim Spaziergang (wohin auch immer) flüchten wollte, was Gudden pflichtgemäß zu verhindern suchte. Es kam zu einem Handgemenge im See, bei dem der 1,60 m große, 62 jährige Arzt seinem ihm körperlich weit überlegenen, 1.91 m großen, 42 jährigen Patienten unterlag, am Kopf verletzt wurde und ertrank.
Obwohl davon auszugehen ist, dass Ludwig von Bayern aus dem Hause Wittelsbach Dr. Gudden in der gemeinsamen letzten Stunde mit eigener Hand getötet hat, so trifft den Ex-Monarchen doch – nach einer Regel, die Gudden für sein eigenes Klinikum in Haar aufgestellt hatte – nur begrenzt Schuld. In Haar galt die Regel: „…keinem Geisteskranken ist es zuzurechnen, was er tut oder unterlässt. Selbst wenn er noch so bösartig erscheint und seine Umgebung noch so sehr und vielleicht sogar mit Überlegung und Absicht reizt und quält, so ist es der Zwang der Krankheit, dem er unterliegt…..“ Strafrechtlich wäre die Tat des Königs heute wohl ein “Todschlag bei verminderter Schuldfähigkeit.”
Letztes Portrait von Dr. Gudden, gemalt von seinem Künstler-Sohn Rudolf einen Monat vor seinem Tod
Ein neues Ludwig-Geheimnis: Wer errichtete das zweite Kreuz?
Der Starnberger Merkur hat so über das neue Kreuz berichtet: https://www.merkur.de/lokales/starnberg/berg-ort65526/zweites-kreuz-neben-gedenkkreuz-fuer-koenig-ludwig-ii-das-naechste-kini-raetsel-93116314.html