Mit Graf im Keller

Oskar Maria Graf hat viel zu dem Bild beigetragen, dass man in der Welt von Bayern hat. Sieben Jahre, nachdem in München und Berg die großen Ausstellungen über Leben und Werk des Berger Groß-Dichters stattgefunden haben, widmet ihm das Museum Starnberg eine Ausstellung unter dem programmatischen Titel “Dichter und Antifaschist vom Starnberger See”.

Der Bayer als amerikanischer Staatsbürger: Passfoto der amerikanischen Einbürgerungsurkunde Oskar Maria Grafs 

Benjamin Tillig ist seit knapp 5 Jahren Museumsleiter in Starnberg und bemüht sich rechtschaffen, das von der Stadt Starnberg leider unterfinananzierte “Museum Starnberger See” zu einem kulturellen Mittelpunkt zu machen. Wohl kaum einer anderer als er hätte sich nur 7 Jahre nach den epochalen Graf-Ausstellungen in Berg und im Literaturhaus München (https://omg-berg.de/allgemein/die-oskar-maria-graf-festtage-ein-rueckblick-in-bildern/ ) schon wieder an eine Ausstellung gewagt.

Blick in die Ausstellung: Graf-Statue, Graf-Interview,  Graf-Lederhose, alles da

Um es vorweg zu sagen: Viel Neues hat die Ausstellung im Keller des Starnberger Museums nicht zu bieten, ABER sie ist so aktuell und notwendig wie wenige. Sie profitiert von den Funden und Forschungsergebnissen, die 2017 vom internationalen Team des Literaturhauses und vom lokalen Berger Ausstellungsteam (Katja Sebald, Andy Ammer, Elke Link, Jörn Kachelriess) zusammengetragen wurden. Jetzt sind die Berger Schulnoten von Oskar Maria Graf (Berg) und seine Lederhose (München) erstmals in einer Ausstellung vereint. Es fehlt etwas das erfrischende Lokalkolorit der Berger Ausstellung, die das originale Wirtshausschild, Lehrerportraits und den Stammbaum der Berger Grafs zeigte …

… dafür richtet der Untertitel der Ausstellung “Dichter und Antifaschist” den Blick endlich etwas weg von der fatalen Heimatverpflichtung des ewig engagierten Weltschriftstellers. Das Nachkriegsdeutschland sah er schon damals als ein von nationalistischen Alt- und Neufaschisten zerfressenes Land an. Seine ominöse Lederhose war keine Trachtentümelei, sondern ein Protest gegen die neureich satten und selbstzufriedenen Deutschen, für deren historische und gegenwärtige Verfehlungen er gerade kein Feigenblatt sein wollte.

Oskar Maria Graf in der Auslage einer Buchhandlung (ca. 1932), in der …

… sein Buch “Dorfbanditen” neben Hitlers “Mein Kampf” in der Auslage liegt.

Die Starnberger Ausstellung im Keller des Starnberger Museums ist exakt die Ausstellung, die als Dauerausstellung in einen Saal des Berger Rathauses gehört hätte. Leider ist eine entsprechende Anfrage der QUH bei der Planung des neuen Rathauses abschlägig beschieden worden. Ungeachtet dessen hat der Berger Kulturbeauftragte Andreas Ammer dem Starnberger Museumsmacher Benjamin Tillig bei der Vernissage vorgeschlagen, gemeinsam zu prüfen, ob die Schau nicht nach dem Abbau auch nach Berg wandern könnte. Elke Link wird für den Berger Kulturverein schon bald eine Gruppenführung durch die Ausstellung organisieren.

Auch das 2017 wiederentdeckte “Ehrentellerl” der Gemeinde Berg für Oskar Maria Graf, das dieser in seinem Arbeitszimmer an der Wand hängen hatte,  findet sich in der Ausstellung

Die tragikomische Geschichte dieses “Tellerls”, eine der wenigen Auszeichnungen, die Oskar Maria Graf in Deutschland je bekommen hat, entdeckte die QUH im Jahr 2013 https://quh-berg.de/die-geschichte-vom-ehrentellerl-fuer-oskar-maria-graf-581435969/

Bergs BGM Wilhelm Gastl überreicht ein “Ehrentellerl” an Oskar Maria Graf (1964)

Die Starnberger Ausstellung bietet Graf zum Ansehen, Anfassen und Anhören. Der Berger Toningenieur Michael Gottfried hat mit Schauspielern Lesungen aus Grafs Werken aufgenommen. Es liegen fast alle Bücher Grafs – teils in kostbaren Erstausgaben – zum Blättern und Lesen auf. Alle wichtigen Stationen seines Lebens sind photographisch aufgearbeitet. Jeder Berger, der etwas auf sich und seine Heimat hält, muss diese Ausstellung besuchen. Schon allein deshalb, um anhand einer Biographie nachfühlen zu können, wie wichtig es für die Welt ist, dass in schwierigen Zeiten (wie jetzt wieder) Menschen ihre Haltung bewahren. Oskar Maria Graf schrieb angesichts der Bücherverbrennungen nicht nur den flammenden Artikel “Verbrennt mich!”, der zu seiner Flucht aus Deutschland führte. Während seiner Zeit im Exil weigerte sich der Pazifist in Amerika auch die Eidesformel zur  „Verteidigungsbereitschaft mit der Waffe in der Hand“ zu unterschreiben, weshalb er erst 13 Jahre nach Kriegsende die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt und ab 1958 für einige kurze Besuche nach Deutschland zurückkehren konnte.

All dies und noch viel mehr sehen Sie jederzeit in der BR-Dokumentation “Ein Oskar für Bayern”  von Andreas Ammer, in der – neben Gerhard Polt, Sepp Bierbichler, Gustl Weißhappel und Luise Kinseher – auch die Lokalmatadoren Michel Krüger, Karl Brunnhuber, Peter Gauweiler, Katerina Jacob und Jürgen Tonkel auftreten: https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/die-rebellionen-des-oskar-maria-graf/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzc2Y2ZjZTdkLWZlMGQtNGU1NS1iN2M0LWE3OTBmYTliMTU4MQ

Wo ist ein Oskar, wenn man ihn braucht?

Die Pflicht-Ausstellung ist Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 und an Wochenenden und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Sie dauert bis zum 19. Mai und sollte irgendwo in Berg eine Heimat für die restliche Zeit finden … wünscht sich und Berg Ihre QUH.