Kafka, Kunst und Kirche

Wie jeden Monat lädt die Evangelische Kirchengemeinde am zweiten Mittwoch – also heute – anlässlich der Vorstellung des “Kunstwerks des Monats” um 19:30 zu einem kleinen Empfang ins Katharina-von-Bora-Haus.


Papier – das Material der Wahl

Papier ist das Material, das die Breitbrunner Künstlerin Ursula Steglich-Schaupp für ihre Arbeit verwendet hat. Sie zeigt zwei großformatige Papierfahnen, die zu Franz Kafkas Parabel “Auf der Galerie”, in der es um eine Zirkusreiterin geht, in Beziehung gesetzt werden. Es gibt wie immer Wein und Brot, und Katja Sebald stellt die Künstlerin vor.

Und wer sich schon jetzt dafür interessiert: Da der Kafka-Text gemeinfrei ist – das bedeutet, dass der Autor schon mindestens 70 Jahre tot ist und die Texte keinem Urheberrecht mehr unterliegen -, ist er als Kommentar schon einmal bei uns “vor”zulesen. Im Bild links übrigens Franz Kafka mit fünf Jahren – hier mit Schaf statt mit Zirkuspferd.

Kommentieren (1)

  1. Elke Link
    10. Mai 2011 um 21:57

    Auf der Galerie Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.
    Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will – da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.