Ein König stirbt: Folge 3 – der 9. Juni

“Fang den König!”, so könnten die Aktionen vom 9. Juni des Jahres 1886 umschrieben werden. Da Prinzregent Luitpold sich nicht traut, seiner Majestät die Nachricht von der Entmündigung zu überbringen trifft, macht sich von München aus eine 11-köpfige “Fangkommission” auf. Man trifft sich zur Palastrevolution am Bahnsteig. Der Sonderzug mit 5 Beamten und Ministern, 2 Ärzten (darunter Dr. Gudden) und 4 Krankenpflegern – aber ohne den Prinzregenten – verläßt den Bahnhof um 16 Uhr 30.

Am 9. Juni – berichtet die in Münsing aufgewachsene Schriftstellerin Kadidja Wedekind – hatte sich oben am Burgtor krächzend ein Unheil verkündendes Krähenpaar eingenistet, das sich nicht vertreiben lies. – In dem Moment, als die Fangkommission München verläßt, könnte Ludwig II. auf seiner Baustelle Neuschwanstein …


Der Zustand von Neuschwanstein im Todesjahr, Photo Joseph Albert 1886

… gerade mit der Morgentoilette beschäftigt sein. Normalerweise stand der König erst zwischen 14 und 18 Uhr auf. Er frühstückte gegen 19 Uhr, um Mitternacht gibt es Mittagessen, dann meist eine nächtliche Ausfahrt, die sogenannte “Mitternachtnachmittagsfahrt”, …


Nevermore: Der elektrifizierte König fährt mit Glühbirnen durch die Nacht

… bei der oft die technisch revolutionäre, weil mit elektirischen Glühbirnen erleuchtete Kutsche zum Einsatz kam (Edison hatte die Glühbirne erst 1879 erfunden). Danach gab es üblicherweise ein Abendessen gegen 6 Uhr früh.

Die Fangkommission plant, den König nach Schloss Linderhof zu bringen. Graf Holnstein – Mitglied der “Fangkommission” – hat dort alles für eine Internierung vorbereiten lassen. Als die Truppe kurz vor Mitternacht in Hohenschwangau ankommmt, sind die Fenster von Neuschwanstein erleuchtet: der König ist anwesend, ahnt aber – entgegen der bayerischen Presse – von nichts. Gegen 2 Uhr Nachts will er sich auf seine nächtliche Fahrt begeben … daraus wird nie wieder etwas werden.

Die Fangkommission nimmt währenddessen noch ein nächtliches Souper ein. Es regnet unaufhörlich. Man diskutiert darüber, ob man den König mit einer Zwangsjacke abführen soll. Im Pferdestall trifft Graf Holnstein – angeblich reichlich alkoholisiert – gegen 1 Uhr Nachts den Kutscher des Königs, Osterholzner, der gerade befehlsgemäß die Pferde bereitmacht. Holnstein fährt den Kutscher an: “Der König hat überhaupt nichts mehr zu befehlen” … Osterholzner seinerseits warnt darauf den König. Dieser alarmiert nach anfänglichem Unverständnis die Gendarmerie und Feuerwehren in Füssen und läßt das Schloß absperren. Gegen 3 Uhr 30 beobachtet der König von seinem Schloß herab, wie sich die Fangkommission dem Schloßtor nähert …

Fortsetzung folgt.


Hier erreichte den König die Schicksalsnachricht: das Speisezimmer von Neuschwanstein (Photo Verlag Franz Hanfstengl um 1900)