Die 3. Welle

Unser heutiges “Denkmal” ist offiziell keines und wurde von der heutigen Besitzerin, der Frau des QUH-Gemeinderats Harald Kalinke, Sissi Kalinke buchstäblich dem Sperrmüll entrissen. Es ist das alte Schild des vormals bis nach München bekannten “Cafe Maurus” im Kramerhaus, das heute noch (bewohnt, aber unbewirtschaftet) in der Berger Grafstraße steht und von Oskar Maria Grafs älterem Bruder, dem Konditor Maurus Graf (1890-1971), betrieben wurde.

“Conditorei Cafe Eis Weinstube Maurus Graf”

Kein geringerer als der Philosoph Ludwig Marcuse attestierte Maurus, dem älteren Bruder unseres Dorf- und Weltschriftstellers Oskar Maria Graf, der “teuerste und literarisch versierteste Konditor” zu sein. Von 1920 bis in die 60er Jahre hinein war das “Café Maurus”, von dem lange noch die Außenlaterne vorhanden war, der Treffpunkt der Münchner Literatur- und Kunstszene. Oskar Maria, der sich im Exil brieflich mit seinem Bruder austauschte, schreibt im “Leben meiner Mutter”:

Wie in einer kleinen, beengenden Nußschale spielte sich das Leben im Kramerhaus ab. Der Maurus hatte endlich die Konzession für einen Kaffeehausbetrieb erhalten und baute neben der Backstube einen Raum für die Gäste aus. Die Zeit war gut. Er spürte neuen Auftrieb, und der Erfolg hatte ihn unternehmungslustig gemacht. Doch seine Interessen und die der Theres [Grafs Lieblingsschwester.] stießen sich beständig. […] Heftige Streitigkeiten brachen immer wieder aus. Die Nußschale drohte manchmal zu zerspringen: Bruder und Schwester trennten schließlich den Haushalt. Mutter, die durch all diese giftigen Reibereien sehr mitgenommen worden war, zog mit Theres in den ersten Stock und wirtschaftete für sie und Annamarie [Oskar Maria Grafs eigene Tochter]. Maurus nahm sich eine Helferin, und der Lenz, vom gefallenen Maxl der jüngste Sohn, arbeitete als Lehrling bei ihm.

 

Maurus Graf vor seinem Haus in der heutigen Grafstraße (Photo: Wolfram Müller)

Das Café Maurus in Oberberg; Grafstr. 18 seit seiner Gründung 1920 bis in die 60iger Jahre hinein Treffpunkt der Münchener Literaturszene

“Dies ist dem Maurus sein Cafe, sehr künstlich, Maurus ist eben ein Künstler …” Blick ins Innere (Postkarte von Lenz Graf an Oskar Maria nach New York)

Katja Sebald berichtet über das Verhältnis der beiden Brüder Graf: “Mit dem vier Jahre älteren Maurus hatte Oskar einst die Leidenschaft fürs Bücherlesen verbunden. Gemeinsam hatten sie sich eine kleine Bibliothek aufgebaut, die sie vor dem prügelnden Bruder verstecken mussten. Nachdem der Schriftsteller 1933 von Wien aus den Nazis sein “Verbrennt mich!” entgegengeschleudert hatte und nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte, hatte Maurus seine Münchner Wohnung geräumt und Bücher und Möbel in Sicherheit gebracht. (…) Zuletzt fordert er von ihm rückwirkend Miete für den Raum, in dem die vielen Bücher gelagert waren. Der Schriftsteller reagiert verärgert, immer schärfer wird der Ton in den Briefen, bis beide einen Anwalt beauftragen.”

In guten Zeiten: Oskar Maria Graf besucht seinen Bruder Maurus in Berg (1925)

“Auf dem Lande war es wie immer. Jeder arbeitete, die Erlasse hingen zerregnet im Gemeindekasten, kein Mensch sah sie an. Niemand kümmerte sich hier um die Ereignisse. Keiner sagte auch nur ein Wort davon.

Meine Mutter lachte uns an, als wir in die niedere Küche traten, mein Bruder Maurus, der erst kurz vom Feld heimgekommen war, hackte Holz im Hof, Theres nähte in der Stube. Wir tranken Kaffee.

“Geht’s in der Stadt drinnen recht zu? fragte Maurus gleichgültig.

Ich wollt erzählen. Er lächelte ironisch: “Die Hauptsach ist, dass der Krieg aus ist … die machen’s auch nicht besser.”

“Aber jetzt regieren wir!” prahlte ich dumm.

Heute ziert das Schild vom Café Maurus, das leider langsam verwittert, das Haus der Familie Kalinke in Biberkor. Wer zufällig vorbeispaziert, kann es gut sehen.

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