Wird ein Dorf Wirt? – Erste Nachrichten aus der längsten Gemeinderatssitzung aller Zeiten

Rekord! Am Dienstag fand die längste Sitzung des Berger Gemeinderates seit (unserem) Lokalpolitikergedenken statt. Um die kritische Haushaltslage zu besprechen und sich vom Kämmerer im Detail informieren zu lassen, traf sich der Berger Gemeinderat, der im März neu gewählt wird, bereits um 17 Uhr. Fast sechs Stunden lang – mit nur einer kurzen Unterbrechung – tagte das Gremium. Außer den Finanzen – über die wir Sie im Laufe der Woche unterrichten werden – gab es nur einen weiteren Tagesordnungspunkt: die Situation in der leerstehenden Gastwirtschaft Auf der Lüften in Farchach. Außerdem eine Nachricht, auf die viele lange gewartet haben:

Zunächst informierte der Bürgermeister, dass am 9. und 10. Dezember endlich die Verwaltung in ihr neues Heim am Huberfeld umziehen wird. Die offizielle Eröffnung des Gebäudes ist dann für den 20. Januar geplant. Einen Tag der offenen Tür wird es am 23.1. geben. Sneak Preview: Für den 31. Januar plant der Kulturbeauftragte im neuen Ratssaal mit dem Kulturverein ein erstes Konzert, um schon einmal dessen Verwendbarkeit als Veranstaltungsort zu testen.

Eine Rampe wurde gebaut, und der Parkplatz von “Auf der Lüften” wurde bereits saniert … drinnen bald

Nach gut 3 Stunden Sitzung trat der Farchacher Wolfgang Gröll vom Bundesverband der Bürger- und Dorfläden e.V. aus (leider, dazu gleich) Farchach vor den Rat. Er war als Sachverständiger und Unternehmensberater  für Dorfläden und kommunale Betriebe geladen, um dem Gemeinderat Empfehlungen für den Umgang mit der Wirtschaft zu geben. Sein Vortrag öffnete vielen die Augen, allerdings bedauerte er, sich in Farchach, seinem Wohnort, als Anwohner nicht engagieren zu können, weil er “befangen” sei und deshalb im Ernstfall keine harten Entscheidungen treffen könne. Normalerweise berät Herr Gröll Seitenensteiger im Lebensmittelgewerbe, “von der Idee bis zur schwarzen Null”. Er gab dem Rat einige  allgemeine Ratschläge.

  1. Man solle aus dem Thema kein  Wahlkampfthema machen.
  2. Falls es eine gemeinschaftliche Lösung geben sollte, bräuchte man einen Primus unter pares. Eine Leitfigur, die auch alle Vereine (und allein das sind in Farchach vier), mit ins “Boot”, also in die Wirtschaft holt..
  3. Da es schnell um die Verwaltung sechsstelliger Beträge geht, muss eine tragfähige Organisationsform – etwa eine Genossenschaft – gegründet werden.
  4. Dann das natürlich Wichtigste: “Sie brauchen einen Wirt”. Einem solchen könne man erfahrungsgemäß nur sehr begrenzt vorschreiben, wie er seine Wirtschaft führen soll. O-Ton: “Wirte sind kein einfaches Volk”. Außer er wird angestellt.
  5. Wenn man einen Wirt fände, der in eigener Regie arbeitet, dann sollte man erst kurz vor der Eröffnung die Küche bestellen. Eine falsch eingerichtete Küche – mit falschen Markengeräten – sei eine große Gefahr. Investitionen solle man erst auslösen, wenn – bis hin zur Kaffemaschine  – klar sei, was gebraucht und gewollt werde.
  6. Und zum Schluss: “Das ist kein Karnickelverein, es wird unterschätzt, wie schwer es ist, in diesem Gewerbe Geld zu verdienen.”

Es schloss sich eine rege Diskussion an, in der Andi Hlavaty (CSU) fragte, ob man jetzt Maßnahmen ergreifen müsse, weil jeder Bewerber derzeit die Hände überm Kopf zusammenschlage? Peter Sewald fragte, ob die Gemeinde überhaupt ein Restaurant an der Stelle haben wolle? Heinz Rothenfußer regte ein “Bürgerbegehren” an. Georg Brandl erwiderte: “Wir müssen das flott machen!” Andy Ammer fragte Herrn Gröll, was er – wenn er denn zum Beispiel Tutzinger wäre und nicht Farchacher – denn den Bergern raten würde, und lobte (allgemeiner Applaus) dessen Ausführungen. Herr Gröll  plädierte für eine größtmögliche Offenheit. Jede Initiative (also auch die bei der QUH-Filmvorführung gebildete Gruppe Farchacher und Berger Bürger*innen) sein sinnvoll und könne einen positiven Prozess in Gang setzen.

Von innen gesehen – das “Auf der Lüften” in Farchach

Das Gebäude gehört der Gemeinde. Auch wenn es verpachtet ist, macht sie damit jährlich ca. 50.000 Euro Verlust, beherbergt dort aber eben auch vier Vereine. 250.000 € kostet wohl allein der Brandschutz. Nach einem Gutachten der HOGA, das dem Gemeinderat vorgelegt wurde, müsste man für einen Küchen- & Innenausbau noch einmal mindestens den gleichen Betrag veranschlagen.

Weil es iin letzter Zeit viele Missverständnisse über die Historie gab, veröffentlichen wir – ohne redaktionelle Bearbeitung oder Kommentar  – ungekürzt jene, die die Gemeindeverwaltung gestern als ihre Sicht der Dinge zu Protokoll gegeben hat.

“Die Liegenschaft „Jägerberg 20“ wurde ursprünglich in 70iger Jahren als Vereins- und Freizeitheim von der Alt-Gemeinde Bachhausen gebaut und ging nach der Verwaltungsreform ins Gesamtvermögen der Gemeinde Berg über.
In den letzten dreißig Jahren wurde die Liegenschaft von lediglich zwei Pächtern mit jeweils ca. 13/14 Jahren Pachtzeit betrieben.
Mitte 2023 erreichte uns eine Anfrage, wonach für die von der Gemeinde verpachtete Gaststätte in der Liegenschaft „Jägerberg 20“ im Berger Ortsteil Farchach ein neuer Pächter gesucht wird. Auf die persönlichen Nachfragen der Verwaltung beim aktuellen Pachtnehmer wurde dies zum damaligen Zeitpunkt verneint. Zum Ende des Jahres 2023 hatte die Verwaltung zudem nochmals den Betrieb unterstützt, um die coronabedingten Nachwehen der Vorjahre etwas abzumildern.
Im März 2024 wurde der Verwaltung im persönlichen Austausch mitgeteilt, dass eine Beendigung des Pachtverhältnis nach dem Sommer 2024 gewünscht wird. Da dies die vertraglichen Rahmenbedingungen nur im beidseitigen Einvernehmen ermöglichen sollten, wurde seitens der Verwaltung signalisiert, dass sofern ein Nachfolgepächter gefunden wird, die Verwaltung einer frühzeitigen Auflösung zustimmt. Seitens der Verwaltung wurde klar kommuniziert, dass ohne schriftliche Kündigung die Pächtersuche seitens der Verwaltung nicht öffentlich vorangetrieben wird, zumal die wesentlichen Randbedingungen ebenfalls noch undefiniert waren.
Im darauffolgenden April fand sich dann auf einem bekannten Anzeigenportal das Pachtangebot der Liegenschaft mit Detailangaben zum Pachtverhältnis, ohne dass die Verwaltung hierüber informiert wurde. Da auch zu diesem Zeitpunkt weder eine schriftliche Kündigung vorlag, noch etwaige Randbedingungen besprochen waren, wurde die Anzeige auf Drängen der Gemeinde entfernt.
Im Mai 2024 veröffentliche die Verwaltung dann die Anzeige zur Pächtersuche in den Digital- und Printmedien sowie den Bekanntmachungstafeln in der Gemeinde. Klar definiert war, dass die Gemeinde lediglich die Verpachtung der Liegenschaft verhandelt und die Übernahme der Betriebs- und
ggf. Wohneinrichtung zwischen aktuellem Pächter und den Interessenten verhandelt wird. Sollte hier keine Einigung erfolgen, war die Gemeinde lediglich an der Übernahme der Thekeneinrichtung im Gastraum, der Wickelunterlage im UG sowie der Bad- und Kücheneinrichtung im OG interessiert.
Es meldeten sich 18 Interessenten, wovon lediglich acht in die engere Auswahl kamen. Sechs wurden zu Besichtigungen eingeladen und erschienen sind trotz Terminbestätigungen lediglich vier. Davon zog die Hälfte die Bewerbung im Anschluss zurück. Ein weiterer Interessent war überhaupt nicht mehr zu erreichen. Glücklicherweise hatte der einzig überbleibende Interessent neben den erforderlichen Nachweisen auch ein Konzept übermittelt, welches beim Gemeinderat Anklang fand. Dieser Interessent hatte bezüglich der Übernahme von Betriebs- und Wohneinrichtung in den vorangegangenen Gesprächen keine für ihn akzeptable Einigung erzielen können und bereitete sich auf die vollumfängliche Neuausstattung der Liegenschaft vor. Nachdem sich die Fronten so verhärtet hatten, konnte die Verwaltung die Bad- und Kücheneinrichtung in den Wohnräumen zu einem fairen Preis übernehmen und löste den geltenden Pachtvertrag frühzeitig auf.
Trotz den ersten Verhandlungen mit dem Interessenten erreichte die Verwaltung kurz vor dem Jahreswechsel die Nachricht, dass dieser nicht mehr an der Übernahme des Objekts interessiert sei.
Jegliche Nachfragen im Anschluss liefen ins Leere. Die erneute Veröffentlichung der Anzeige führte in 2025 zu knapp 20 Besichtigungen. Daneben kontaktierte die Verwaltung alle gängigen Konzerne sowie umliegenden Brauereien und Gaststätten als auch verschiedene Großbäckereien und alternative Hotelbetriebe direkt. Auf Hinweis eines Gemeinderates wurde die Anzeige zudem gezielt an ca. 8.000 bayerische Gastronomen versendet. Auch alternative Ideen aus der Verwaltung, wie z. B. der Austausch mit der Living Museum Metropolregion München gGmbH führten trotz der Vermittlung durch  unserem Kulturbeauftragten Andy Ammer zu keinem Ergebnis.

(Wir sparen us hier die …) Baulichen & planerische Erläuterungen

Ausrichtung für die Zukunft
Da sowohl die Verwaltung als auch der Gemeinderat sich weiterhin über den Mehrwert der Liegenschaft „Jägerberg 20“ bewusst sind, ist nun die Entscheidung zu treffen, in welchem Umfang die Investition in die Liegenschaft, insbesondere den Betrieb der Gaststätte, zu erfolgen hat.
Als Verpächterin der Liegenschaft als Gaststätte ist die Gemeinde verpflichtet, die Räumlichkeiten in einem betriebsbereiten und den Anforderungen entsprechenden Zustand zu übergeben, d. h. hiervon sind neben den brandschutzrechtlichen auch die arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen (z. B. Fliesen in der Küche, Personaltoilette) sowie Hygienemaßnahmen (z. B. Bohrlöcher im Kühlraum, Holzfenster in Küchenbereich) betroffen.
Zusätzlich zu diesen zwingend notwendigen Maßnahmen wäre auch denkbar, dass die Gemeinde sich bereit erklärt, die für den Betrieb der Gaststätte notwendigen Anschaffungen anteilig oder vollständig zu übernehmen. (Hervorhebung von uns, die QUH)
Auch ist denkbar, dass die gesamten Räumlichkeiten dahingehend baulich derart verändert werden, dass der Betrieb einer Gaststätte optimiert wird.
Da sich sowohl für die Betriebsausstattung als auch für die Neukonzipierung des Gebäudes innerhalb der Verwaltung kein Fachwissen findet, wurde auch auf den Hinweis des Gemeinderates entsprechende Fachbüros angefragt. Nach hausinterner Rücksprache wurde eines dieser Büros mit der Erbringung folgender Leistung direkt beauftragt: „Vor Ort Besichtigung und Beurteilung der notwendigen Investitionen in Ausstattung und Inventar inklusive schriftlicher Zusammenfassung und Kostenschätzung“ Nicht enthalten in der oben genannten Leistung ist die planerische Ausarbeitung von baulichenMaßnahmen nach den üblichen Leistungsstufen.

Für die Vermarktung des Objekts hat die Verwaltung bereits diverse Makler angefragt. Teilweise Angebote liegen vor bzw. stehen noch aus. Daneben hat sich auch die GWT Starnberg GmbH bereiterklärt, die Gemeinde bei der Vermarktung zu unterstützen. Die Verwaltung zeigt jedoch auch offen, dass die Vermarktung in Zusammenarbeit mit freiwilligen Personen aus der Bürgerschaft selbstständig vorangetrieben wird. (Hervorhebung von uns, die QUH)

(Wir sparen uns erneut …) Rechtliche Rahmenbedingungen

Klar hervorgehoben werden muss an dieser Stelle aber auch, dass die Gemeinde Berg sich zwar einer finanziell schwierigen Lage befindet, die sich jedoch in Anbetracht der Gesamtlage der öffentlichen Verwaltungen als noch positiv bestimmen lassen könnte, da es ihr bisweilen überhaupt möglich war, auch weitere freiwillige Leistungen zu erbringen.

Steuerlicher Hinweis
Sollte der BgA „Gaststätte“ der Liegenschaft „Jägerberg 20“ aufgelöst werden, ist umsatzsteuerrechtlich bedingt mit der Rückzahlung aller gezogenen Vorsteuern der letzten zehn Jahre als auch mit der ertragssteuerrechtlich bedingten Steuerbelastung für die Entnahme des Betriebsvermögens zu rechnen. Seitens der Verwaltung wird daher weiterhin und ausschließlich die umsatzsteuerliche Verpachtung empfohlen.

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