Heute, am 8. Mai, vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. Einige Tage zuvor führte der Todesmarsch der KZ-Häftlinge von Dachau aus durch unsere Heimat in Richtung Süden. Dies nahm das Landschulheim Kempfenhausen zum Anlass, vom 28. – 30.4.2025 drei Projekttage dem Gedenken an die Ausgrenzung und die Verfolgung von Menschen im Nationalsozialismus zu widmen. “Wir müssen da was machen”, so Schulleiter Tomas Raidt. Unter der Federführung der Lehrerinnen Dr. Anja Kurths und Theresa Ehret entwickelte die Lehrerschaft eigene pädagogische Konzepte für alle Alterstufen. Ein eindrucksvolles, nachwirkendes Projekt, das die Schülerinnen und Schüler abgeholt zu haben scheint. Bei der abschließenden Gedenkveranstaltung in der Turnhalle – immerhin mit 650 Schülerinnen und Schülern – herrschte jedenfalls absolute Ruhe.
Gern wär ich geflogen wie ein Schmetterling …
Die unteren Klassen beschäftigten sich mit dem Thema Ausgrenzung – wo beginnt sie und was kann ich dagegen tun? Die 5. Klassen arbeiteten auf der Grundlage des Kinderbuchs “Gern wär ich geflogen wie ein Schmetterling”, in dem ein jüdisches Mädchen schildert, wie es sich mit seiner Familie in Polen verstecken muss. Mutter und Tochter überleben, der Vater nicht. Die Klassen gestalteten lange transparente Papierbahnen, die in der Aula aufgehägt wurden – ein riesiger, durchschimmernder Vorhang wie ein Versteck mit verschiedenen Ebenen.
Die 6. und 7. Klassen lasen das Tagebuch der Anne Frank als Graphic Novel (von Ari Folman und David Polonsky) und beschäftigten sich mit dem Thema Versteck. Wie lebe und verstecke ich mich in einem Hinterhaus, wie gestaltet sich das Miteinander auf engstem Raum?
Die 7. Klassen bekamen alte Handkoffer, Packpapier zum Zeichnen oder Basteln und die Frage: Welche 10 wichtigen Dinge würde ich in meinen Koffer packen, wenn ich fliegen müsste? Was nehmen wir mit?
Ein Comic auf sechs Panels
Die 8. Klassen besuchten virtuell das Anne Frank Haus in Amsterdam. Sie sollten sich dort die Biographie einer Person heraussuchen und auf sechs Panels einen Comic zeichnen. Das Angebot, freiwillig zu Hause weiterzuarbeiten, wurde gerne genutzt.
Arbeitsmaterial aus unterschiedlichen Stufen
Die 9. und 10. Klassen beschäftigten sich mit der ganzen Bandbreite des Holocaust anhand der Graphic Novel “Die Suche”, einer fiktionalen Familiengeschichte, die vom Anne Frank Haus entwickelt wurde. Sie konnten sich Figuren aus dem Comic aussuchen und aus deren Perspektive einen Brief schreiben.
Briefe aus dem KZ
Im Mittelpunkt stand das Zitat von Molière: “Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun”. Podcasts, Minifilme, Erklärvideos und Plakate entstanden dabei. Intensiv diskutiert wurde auch die Frage, ob man den Holocaust überhaupt mit einem Comic darstellen kann.
Die Oberstufe konnte sich schließlich zwischen drei Workshops entscheiden – Wie entsteht Gehorsam? (Ethik), ein interreligiöser Dialog zwischen einer Vertreterin des Judentums und einem christlichen Theologen (Religion) und einem Computerspiel. In “Through the darkest of times” müssen in einer Gruppe aus dem Widerstand kollektive Entscheidungen gefällt werden, um zu überleben.
Begleitet wurde die Projektwoche von einer großen Wanderausstellung des FC Bayern über den Umgang mit Minderheiten und Ausgrenzung – der langjährige jüdische Vereinspräsident Kurt Landauer musste 1933 zurücktreten, 1947 nahm er nach seiner Rückkehr nach München das Amt wieder auf. Unter Landauer wurde der FC Bayern 1932 zum ersten Mal Deutscher Meister. Landauer kam am 10. November 1938, einen Tag nach der Reichsprogromnacht, für einen Monat ins KZ Dachau, bevor er in die Schweiz fliehen konnte.
Oberstufenschüler ließen sich zu Guides ausbilden und führten durch die Ausstellung.
Auch ein Vetreter des Erinnerungsorts Badehaus in Wolfratshausen statte der Schule einen Besuch ab. Wie kann ich Erinnerungskultur fortsetzen, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?
Eine Dokumentationsgruppe aus der Oberstufe begleitete die Projekttage filmisch.
Für ein friedliches Miteinander
Die gesamte Schule beteiligte sich an den Projekttagen. Pro Klasse begleiteten 1-2 Lehrkräfte den Prozess.
Gedenken neu denken – ein Projekt für die zeitgemäße Aufarbeitung und Reflexion zum Thema Ausgrenzung und Verfolgung (nicht nur) im Nationalsozialismus, zu dem man nur gratulieren kann, das ganz bestimmt nachwirkt, in den Köpfen bleibt und auch in den heutigen Alltag hineinwirkt.
Keine Kommentare vorhanden