Im Museum Starnberger See findet gerade eine absolut sehenswerte Ausstellung mit Werken und über das Leben von Eva Roemer statt. Sie lebte ab Mitte der Dreißigerjahre und während des Krieges mit ihrer Lebensgefährtin Martha Mendelssohn-Bartholdy im Perchaer Weg in Kempfenhausen.
Eva Roemer – Eine Berger Meisterin des Farbholzschnittes
Die Internetseite der Ausstellung finden Sie hier. Es gibt zahlreiche Begleitveranstaltungen, die nächsten kommenden Freitag und Samstag. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei, um Anmeldung wird gebeten.
Wer ist noch mit auf dem Bild?
Am Freitag, den 25. April um 19 Uhr findet ein Vortrag von Dr. Felix Winter im Museum statt mit dem Titel: Eva Roemer, ein biografisches Portrait mit kleinen weißen Flecken. In dem Vortrag wird das Leben der Künstlerin anhand von Fotos, Dokumenten und Bildern erzählt – auch solchen, die in der Ausstellung nicht enthalten sind. Ein Beitrag von Dr. Felix Winter, dessen Großmutter eine Cousine von Eva Roemer war.
Eva Roemer
Am darauffolgenden Samstag, den 26. April um 15 Uhr lädt Dr. Felix Winter zu einem Gespräch ins Museum mit dem Titel: Wer weiß etwas zu Eva Roemer, kann etwas erzählen oder zeigen?
Vielleicht gibt es in Berg, Starnberg, Partenkirchen, München und im ganzen Fünfseenland Zeitzeugen, die Eva Roemer noch persönlich gekannt haben. Sicher aber gibt es Menschen, die etwas über Eva Roemer und Martha Mendelssohn-Bartholdy wissen und berichten können oder aufschlussreiche Gegenstände haben (Fotos, Briefe, Bilder u.a.m.). Alle Personen, auf die das zutrifft, werden gebeten, auf einen Kaffee zum Gespräch zu kommen.
Interessant für Dr. Felix Winter sind vor allem folgende Fragen:
- Wen kannten die beiden Frauen?
- Wer hat sie unterstützt oder auch geschützt in der Zeit der Nazidiktatur?
- Gibt es bisher noch unbekannte Holzschnitte, Briefe, Fotografien u. a. m.?
- Wo haben Martha Mendelssohn-Bartholdy und Eva Roemer vor 1937 in Kempfenhausen oder Percha gewohnt?
Wo stand dieses Haus? In Percha?
Eva Roemer war eng befreundet mit Familie Demmler in Martinsholzen. Mehr erfahren Sie in der Ausstellung.
Felix Winter und die Journalistin Doris Fuchsberger haben folgende Informationen zusammengetragen:
Eva Roemer (1889-1977) fand im Farbholzschnitt ihre künstlerische Ausdrucksform. Die in ihrer Geburtsstadt Berlin und in Hamburg ausgebildete Künstlerin verlegte in den späten 1920er-Jahren ihren Wohnsitz nach Percha. Die meisten ihrer Bilder entstehen hier. Sie zeigen stimmungsvoll zu unterschiedlichen Jahreszeiten und Lichtverhältnissen den Starnberger See, Landschaften des bayerischen Voralpenlands sowie Bergmotive. Windbewegte Pflanzen und Wellengang verleihen ihren Holzschnitten Dynamik.
Eva Roemer war vom japanischen Farbholzschnitt inspiriert, einer Kunst, die zum Ende des 19. Jahrhunderts ganz Europa begeisterte. Die fernen Imaginationen kontrastierten mit der industrialisierten Welt Europas. Wesentliche Stilelemente sind klare Linienführung, stilisierte Formen, dezentrierte, asymmetrische Komposition und farbig gefüllte Flächen. Ihre künstlerische Ausbildung erhält Eva Roemer bei Karl Hagemeister, Leo von König und Willy von Beckerath.
Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten kann Eva Roemer nicht mehr an Ausstellungen teilnehmen. Die Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer bleibt ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verwehrt. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Martha Mendelssohn-Bartholdy lebt sie zurückgezogen in Kempfenhausen. In den Nachkriegsjahren erhält sie erneut künstlerische Anerkennung. Danach gerät sie in Vergessenheit.
Seit einigen Jahren ist Eva Roemer als Künstlerin wiederentdeckt. Ihre Arbeiten sind bei Sammlern gefragt. Gerbrand Caspers, schreibt: “Eva Roemer today is one of the most sought-after & collectable modern printmakers, also in the New World.”
Eva Roemer hinterließ ein umfangreiches Œuvre, das erstmals in dieser Retrospektive gezeigt wird.
Kindheit und Jugend
Eva Roemer wird am 17. Juli 1889 in Berlin als zweites Kind der Eheleute Fanny und Bernhard Roemer geboren. Der Vater ist Bildhauer und Dozent an der Königlich Technischen Hochschule Berlin, die musisch begabte Mutter ist eine Enkelin von Fanny Mendelssohn Bartholdy. Auf der Kindheit von Eva Roemer lastet früh ein schwerer Schatten: Beide Eltern sterben auf tragische Weise noch bevor sie zwei Jahre alt ist. Gemeinsam mit ihrer Schwester Ilse wird sie zunächst von den Großeltern aufgenommen und lebt dann in der Familie ihrer Tante Lili du Bois-Reymond, die selbst fünf eigene Kinder hat. Eva Roemer wächst in einem gebildeten und wohlhabenden sozialen Umfeld auf, zu dem etliche Künstlerinnen und Künstler der Berliner Secession gehören.
Ausbildung und Schaffen
Für Frauen ist es zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland nicht möglich, an Kunsthochschulen zu studieren. Eva Roemer nimmt daher zunächst Privatunterricht. Von ihren Lehrern sind Karl Hagemeister (Ölmalerei, Motivwahl) und Willy von Beckerath besonders einflussreich für sie. An der Kunstgewerbeschule zu Hamburg“, die ab 1907 vereinzelt Frauen zulässt, erlernt sie ihre charakteristische Arbeitstechnik, den Farbholzschnitt. Es folgen Studienreisen nach Italien, Holland und den USA. Durch den Ersten Weltkrieg und danach gerät ihre Familie in finanzielle Schwierigkeiten und von ihrer Kunst kann Eva Roemer vorerst nicht leben. Sie wohnt bei ihrer verzweigten Verwandtschaft, lange Zeit bei ihrer Tante Cécile Leo (1858-1926), einer Scherenschnittkünstlerin in Göttingen. Dort beteiligt sie sich regelmäßig an Ausstellungen und hat endlich auch finanziellen Erfolg. 1926 geht sie nach Erlangen und dann nach Percha. Hier perfektioniert sie ihre Technik des Holzschnitts. Um auch feine Farbnuancen einsetzen zu können, schneidet sie bis zu zwölf Platten, die sie mit ihrer Handpresse übereinanderlegt. Ihre Bilder werden nun dynamisch – sie zeigen die beseelte Natur.
Überleben im Nationalsozialismus
Aufgrund ihrer partiell jüdischen Abstammung erhält Eva Roemer keinen „Ariernachweis“, was die Aufnahme in die Reichskulturkammer und damit die Möglichkeit auszustellen ausschließt. Ihre Lebensgefährtin Martha Mendelssohn-Bartholdy trägt einen sehr bekannten, damals verfemten Namen. Aus der Familie erhalten die beiden Frauen 1935 Geld und können sich damit ein Haus in Kempfenhausen (bei Berg) bauen. Dort leben sie zurückgezogen. Unterstützung kommt von der Verwandtschaft und wohlgesonnenen Nachbarn. Ob die beiden Frauen von Deportation bedroht sind, ist aufgrund vernichteter Akten ungeklärt. Berichten zufolge soll sie ein ranghoher NS-Funktionär geschützt haben.
Neustart und Alter
Am Kriegsende ist Eva Roemer 55 Jahre alt. Die internationale Kunst hat sich weiterentwickelt und von der eigenen zu leben, ist weiterhin schwierig. Zum Lebensunterhalt trägt neben Evas Kunst und Marthas Klavierunterricht der große Garten bei. Um preiswerte Kunstwerke anbieten zu können, verlegt sich Eva Roemer vermehrt auf Kleinformate und Postkarten. Es gelingt ihr jedoch, sich im Kunstleben neu zu etablieren und regionale und überregionale Anerkennung zu erhalten. Die damals sehr verbreitete Kulturzeitschrift „Velhagen und Klasings Monatshefte“ bringt 1952 und 1953 Artikel zur Künstlerin. 1963 zieht Eva Roemer gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin in ein Seniorenheim nach Partenkirchen. Dort stirbt Martha Mendelssohn-Bartholdy zwei Jahre später. Eva Roemer überlebt sie um 12 Jahre.
Wald bei Kempfenhausen (Holzschnitt von Eva Roemer)
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